Vampire Weekend – Only God Was Above Us

VÖ: 05.04.2024

Label: Columbia

Genre: Indie/-Art-/Baroque-Pop / Indie-Rock / Worldbeat  

Ich mache ja bei den Jahresabschluss-Listen normalerweise keine Rankings. Wenn ja, dann sind es eher 5 Nennungen ohne eine jeweilige Platzierung. Eines weiß ich aber genau, nämlich dass das Studioalbum Father Of The Bride von der New Yorker Formation Vampire Weekend mein liebstes des Jahres 2019 ist. Als so fantastisch habe ich eine Mischung aus Art-, Baroque- und Indie-Pop und -Rock sowie Folk lange nicht mehr wahrgenommen, mit Knallersongs wie dem immer noch unwiderstehlichen Harmony Hall (das ich auch mit der Hochzeit meiner Schwester verbinde, da sie diesen Song unmittelbar davor gehört hat, um ihre Nervosität in Schach zu halten). So erging es mir ja schon bei dem grandiosen selbstbetitelten Debüt (2008), auf dem unter anderem wundervolle Afro-Pop- und generell Worldbeat-Elemente zu hören waren (mit klaren Vorbildern wie dem Klassiker von Paul Simon, Graceland), das ich sicherlich zu meinen Highlights des Jahres 2008 küren würde (ich denke da unter anderem an eine legendäre Live-Show im Kölner Gloria, die ich zu dieser Zeit mit einer Freundin sah). In diesem Zusammenhang habe ich mal überlegt, was Vampire Weekend so besonders für mich macht, abgesehen von schönen persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen, die ich mit der Musik der Band um Ezra Koenig verbinde. Denn auch die anderen beiden Werke, die sie bisher veröffentlichten, wären in einem persönlichen Ranking sicher mindestens unter den jeweiligen Top 20 der Veröffentlichungsjahre. Es ist so, dass es den New Yorkern immer wieder gelingt dieser bunten Sound-Mischung neue Impulse zu verliehen und scheinbar neue Elemente spielerisch, unverkrampft und entspannt einzubauen. Das sind immer wieder Momente, die zu überraschen wissen (mit spannenden Instrumentierungen und anderen Ideen). Zudem muss man Geduld mitbringen, die Songs jeweils „atmen“, ihre Wirkung entfalten lassen. Das gilt insbesondere auch für das fünfte Album Only God Was Above Us, das im Vergleich zu dem oben genannten Vorgänger Father Of The Bride noch experimenteller und „rockiger“ erscheint. Die Texte weisen sehr raffinierte Bezüge auf die (musikalische) Geschichte der Heimatstadt von Vampire Weekend, New York City, auf. Auch weitere historische Ereignisse werden aufgegriffen, wie der Vorfall des Jahres 1988, bei dem bei einem Flugzeug während des Fluges das Dach abgerissen wurde und bei dem ein Passagier jenen Satz („Only God Was Above Us“) zitiert haben soll (der nun den Albumtitel darstellt). Herausgekommen sind Songs mit traumhaften Melodien, die trotz der experimentellen Zutaten, zu großen Teilen gut ins Ohr gehen und bei denen zudem gleichzeitig „klassisch“ anmutende Elemente eingebaut werden. Es ist ein herausragendes Werk, das mit jedem weiteren Hörduchläufen weitere schöne Details offenlegt. Ich bin schon jetzt verzaubert, das Album ist ein Highlight dieses Jahres, das wohl in meinen Bestenlisten auftauchen wird. Ich habe gehört, dass die Veröffentlichung anlässlich des 40. Geburtstages von Ezra Koenig am 08.04. im Moody Amphitheater in Austin groß gefeiert wurde (mit einem Konzert). Da fand zudem gleichzeitig die Sonnenfinsternis statt. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie Songs wie das geniale Hope diese Ereignisse klanglich untermalten. Ein wahres Fest!

Note: 1,7 (mit Potential nach oben)

https://www.vampireweekend.com/    

          

      

MGMT – Loss Of Life

VÖ: 23.02.2024

Label: Mom + Pop

Genre: Psychedelic-/Indie-Rock/-Pop

Das Debüt der US-Duos MGMT – Oracular Spectacular (hier bei uns 2008 erschienen) – hatte die „Indie-Hits“ mit Songs Time To Pretend, Electric Feel und Kids (was auch daran liegt, dass diese grandiosen Kompositionen immer mal wieder in TV-Berichten, in Filmen oder sonst wo erklingen). Man würde tatsächlich – betrachtet man die Diskografie von Andrew VanWyngarden und Benjamin Goldwasser – wohl von der „zugänglichsten“ Platte sprechen. Das ist ja eigentlich auch die Frage, so schillernd bunt-eingängig und experimentell-vielschichtig dieses Album doch war. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass der Titelsong von ihrer vorletzten Veröffentlichung Little Dark Age (2018) ja ein paar Jahre nach deren Release plötzlich auf TikTok äußerst beliebt wurde. Es ist generell so, dass MGMT sehr viel Wagemut auch auf den drei Nachfolgern von Oracular SpectacularCongratulations (2010), MGMT (2013) und besagtem Little Dark Age – an den Tag legten und es immer noch so pflegen. Es waren und sind dabei immer wieder neue Ansätze erkennbar, wie man im Spannungsfeld von psychedelischem und Synthie-betontem Indie-Pop und -Rock, sich neue Wege erarbeitet (hat) und damit gleichzeitig wiederum diese für zukünftig aktive Musiker*innen bereitet hat. Das kann als klangliches Ergebnis für den Hörer natürlich auch mal richtig herausfordernd sein, was ich auch bei der Rezeption des neuen Werkes Loss Of Life erfahren habe. Ich erachte diesen Zustand ja ohnehin in der Musik als essentiell, ich möchte, dass diese mich beschäftigt, statt dass sie mich wie im „Formatradio“ nur bedudelt. MGMT wirst Du eh nie bei Hitradio (hier den Namen Eures Bundeslandes einsetzen) hören, und das ist auch gut so. Auf Loss Of Life hört man so viele musikalische Richtungen (z.B. Britpop) heraus, die so stilvoll und gekonnt ineinandergreifen (was bestimmt auch an den Produzenten, unter anderem Patrick Wimberly und Daniel Lopatin aka Oneohtrix Point Never, sowie an Gäst*innen wie Christine And The Queens oder Sean Lennon liegt) dazu in den Texten grandios-philosophische, wenn auch oftmals recht pessimistische Betrachtungen des Menschen, seiner Natur und seines Handelns sowie generell des Lebens, mit ordentlich Ironie und Witz versehen. Wie hier die unterschiedlichsten Emotionen geweckt werden, das ist wirklich beeindruckend. Dies zeigt zum Beispiel der Titel- und Abschluss-Song. Ich weiß, das Album ist groß, auch wenn ich selbst bei der Wertung noch vergleichsweise verhalten bin!

Note: 2,0 (mit Potential nach oben)     

https://whoismgmt.com/

           

Sufjan Stevens – Javelin

VÖ: 06.10.2023

Label: Asthmatic Kitty

Genre: Indie-Folk/-Rock

Ich habe letztens noch über den US-Künstler Sufjan Stevens und sein kreatives Schaffen nachgedacht. Schon lange beschäftigt mich die Frage, was ihn so wichtig für mich macht. Es sind verschiedene Erinnerungen – vor allem persönliche, aber auch sozialpolitische und natürlich musikhistorische –, gleichfalls wie eine Identifikation mit den Texten oder im Allgemeinem dem Songwriting. Abgesehen von diesem unnachahmlichen „Projekt“, allen US-Staaten jeweils ein Album zu widmen, und der damit verbundenen Frage des Wahrheitsgehaltes, wird ja klar, dass der 48-Jährige seit jeher in vielerlei Art die höchsten Ambitionen an den Tag legt. Die beiden „Staaten“-Platten – Michigan (2003) und für mich persönlich vor allem Illinois (2005) – haben mich schon zu Release-Zeiten absolut fasziniert, hier vor allem aufgrund der großartigen Melodien, dem Huldigen der Eigenschaften und Besonderheiten der jeweiligen Staaten und den instrumentalen Arrangements. Das ebenfalls gloriose The Age Of Adz (2010) hat mich aufgrund des Electro-experimentellen Charakters bekommen, der eine Abkehr von den frühen Folk-Tagen darstellt. Und dann erschien Carrie & Lowell (2015), auf dem Stevens unter anderem den Tod seiner Mutter verarbeitete. Mir ging es kurz danach ähnlich, als ein von mir geliebtes Familienmitglied von uns ging und ich durch die unglaublich gefühlvollen Songs des Albums getröstet wurde. Nun habe ich Javelin hören können und sehe es – wie so viele Kritiker*innen zurzeit – als neues Meisterwerk in der beeindruckend hochqualitativen Diskografie von Stevens an. Das liegt an der vielseitigen Betrachtungsweise von Themen wie Liebe, Schmerz und Religion.  Dies verbunden mit Sounds, die das gesamte, mannigfaltige Werk des Künstlers rezitiert und zusammenführt, kombiniert mit allerhand weiteren Ideen, die sich erneut in beeindruckenden instrumentellen Arrangements niederschlagen. Abgeschlossen wird das Album mit einem Neil-Young-Cover (There’s A World). Stevens selbst hat natürlich auch viel Persönliches auf Javelin einfließen lassen. Bei ihm wurde kürzlich zum Beispiel das Guillain-Barré-Syndrom diagnostiziert, demzufolge ihm wohl ein langer Heilungsprozess bevorstehen wird. Bei mir persönlich bin ich gespannt, mit welchen Eindrücken oder Erlebnissen ich dieses meisterhafte Album in Zukunft verbinden werde. Mr. Stevens, Ihnen wünsche von Herzen eine baldige Genesung. Zu Javelin kann und muss ich Sie aus kreativer Sicht nur beglückwünschen!

Note: 1,7 (mit Potential nach oben)  

https://sufjanstevens.bandcamp.com/album/javelin      

Blur – The Ballad Of Darren

VÖ: 21.07.2023

Label: Warner

Genre: Indie-/Alternative-/Art-Rock / (Baroque-/Lounge-)Pop

Unglaublich, jetzt ist das damalige Comeback-Album The Magic Whip auch schon wieder acht Jahre alt! Für mich ist es in der Nachbetrachtung weiterhin äußerst gelungen, ohne die Wucht der Werke der 90er– und frühen 2000er Jahre zu erreichen. Die Platte war allerdings vor allem spannend, weil hier die Stärken zur Geltung kamen, die vor allem die Formationen und Nebenprojekte – und Verarbeitung damit verbundener Eindrücke und Erlebnisse – der Mitglieder um Damon Albarn ausgemacht haben. Damit meine ich sicherlich nicht nur die Gorillaz! Seit der Veröffentlichung von The Magic Whip ist ja nun wirklich auch wieder einiges passiert. Was zeichnet nun folglich das neue Werk The Ballad Of Darren aus? Nun, die britische Band musiziert wahrscheinlich nicht mehr, um zuvorderst Innovationen zu bieten, zumindest nicht mehr in dem umfangreichen Maße wie in den Hochzeiten. Aber wer erwartet das ernsthaft? Es reicht schon aus, wenn man es so raffiniert umsetzt wie hier. Denn eines beherrschen Blur wie kaum sonst jemand: das Songwriting. Großartige Arrangements, wundervoll-hymnenhafte Melodien (ein bisschen im Stil der letzten beiden Arctic Monkeys-Alben) und hintergründige Texte (vor allem über die Herausforderungen des Menschen in der heutigen Zeit), so dass man wiederum sagen könnte, dass die innovativen Ideen keineswegs ausgegangen sind. Großen Eindruck hinterlassen sie immer noch, was mit fantastischen Songs wie The Narcissist – für mich schon jetzt einer der besten Songs dieses Jahres – unter Beweis gestellt wird. Blur sind einfach immer noch bewundernswert!

Note: 2,0    

https://www.blur.co.uk/

  

Yeah Yeah Yeahs – Cool It Down

VÖ: 30.09.2022

Label: Secretly Canadian

Genre:  Synthie-/Dream-Pop / Indie-/Garage-Rock / Dance-Punk

Ich schreibe es an dieser Stelle sicher nicht das erste Mal, aber aus dieser Indie- und Garage-Rock-Welle der frühen bis mittleren 2000er-Jahre haben ja einige der Bands es schon schwer gehabt, diesen Schwung und diese knalligen pointierten Texte sowie die Punk-Attitüde auf die späteren Werke hinüberzuretten. Die späten 2000er Musikjahre waren halt schon wieder bereit für neue Sound-Impulse. Das ist ja auch gut so! Die New Yorker Formation  Yeah Yeah Yeahs um die charismatische Frontsängerin Karen O haben mit Fever To Tell (2003) – und Songs wie Maps und Pin darauf – ein wunderbares Debüt vorgelegt, das perfekt in die damalige Indie-/Garage Rock-Phase gepasst hat. Der klasse Nachfolger Show Your Bones (2006) konnte noch gut die weiterhin bestechenden, aber sich auch schon fast in seiner Endphase befindlichen Jahre repräsentieren. Der Song Gold Lion liegt mir immer noch in meinen Ohren. Auf dem Drittwerk It’s Blitz! (2009) ging es dann nicht ohne Grund in die synthie-punkige Richtung, um neue Impulse einfließen zu lassen. War wirklich in Ordnung, ebenso wie die Sounds auf Mosquito (2013), die eine Menge Art-Punk atmeten. Im September, der ja einige Comebacks bietet, haben die Yeah Yeah Yeahs nach diesen 9 Jahren Pause und einigen Projekten und Kollaborationen von Karen O ein Album vorgelegt, das erwartungsgemäß etwas unterschiedlich von den Kritiker*innen aufgenommen wurde. Nun, die vorher ausgekoppelte und bereits in der TV-Werbung laufende Single Spitting Off The Edge Of The World (feat. Perfume Genius) hat mich überzeugen können, unter anderem mit einem einprägsamen Refrain und generell tollen Produktion, es gibt zudem eine klare politische Botschaft für mehr Umweltbewusstsein. Doch auch die anderen Songs bieten ein vielfältiges klangliches Spektrum und pendeln eindrucksvoll zwischen verschiedenen Spielarten umher. Also ich finde das ziemlich gut im Gesamten. Aber was haltet ihr von dem Album? Überzeugt es euch, hat es keine Wirkung oder seid ihr enttäuscht? Auf eure Meinungen bin ich gespannt!

Note: 2,3   

https://yeahyeahyeahs.com/

                

Interpol – The Other Side Of Make-Believe    

VÖ: 15.07.2022

Label: Matador

Genre: Post-Punk / Indie-Rock

Als um 2001/2002 die ersten Bands der damaligen Indie-Rock-Welle aufkamen, habe ich das ja – wie ich wahrscheinlich schon so einige Male hier bei hicemusic erwähnt habe – zuerst gar nicht mitbekommen. The Strokes, The White Stripes, The Black Keys…all diese habe ich nicht so richtig gekannt. Stattdessen gab es die Nu Metal-Formationen, deren Namen ich hier zu großen Teilen nicht erwähnen möchte. Nun gut, so 2003/2004, als schon einige weitere Bands zu Ruhm gelangten – Franz Ferdinand, Bloc Party, Maxïmo Park, Yeah Yeah Yeahs etc. –, da wurde mir erst klar, was ich da verpasst hatte. Interpol und deren beiden Studioalben – die Meisterwerke Turn On The Bright Lights (2002) und Antics (2004) – habe ich damals zuerst gar nicht so geschätzt, im Zusammenhang mit dem Drittwerk Our Love To Admire (2007), das ich ebenfalls bis heute verehre, habe ich die hohe Qualität der New Yorker erkannt. Doch ebenso wie vor vier Jahren – als Marauder (2018) veröffentlicht wurde, das ich hier übrigens ebenfalls in der „Kontrovers“-Sparte besprochen habe – sehe ich es wie meine Schwester damals schon: man kann nicht immer denselben Song machen, auch wenn er gut ist. Und ich wiederhole es, produktionstechnisch und klanglich gesehen, leisten Interpol fantastische Arbeit. Doch auch die Songs auf The Other Side Of Make-Believe – das zu großen Teilen wirklich ziemlich positive Kritiken bekommt – klingen im Gesamten etwas ähnlich. Es wird sich aber wieder mehr dem Sound der Anfangstage gewidmet bzw. auch jenen Klängen, die El Pintor (2014) ausmachten. Textlich wird es trotz der ganzen gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Umstände – für Band-Verhältnisse – fast schon optimistisch, zumindest wird Durchhaltevermögen proklamiert. Trotzdem bleibt für mich: ich bin noch ein bisschen zurückhaltend, daher auch die erneute Platzierung in der „Kontrovers“-Sparte. Andererseits: das Album ist für mich etwas besser als der Vorgänger Marauder! Was sagt ihr zu dem Album? Auf eure Einschätzungen bin ich gespannt!                              

Note: 2,7 (nach den ersten Eindrücken)

https://www.interpolnyc.com/

Jamie T – The Theory Of Whatever  

  

VÖ: 22.07.2022

Label: Polydor

Genre: Indie-/Rap-/Alternative-Rock / Indie-Pop / Post-Punk

Insgeheim ist ja wohl bei so jedem/r Musikhörer/in der Wunsch vorhanden, dass der/die Lieblingskünstler-/in seinen Sounds stets irgendetwas Neues beifügen kann. Selbst jene Fans, die über viele Jahre/Jahrzehnte „ihren Stars“ die Treue halten, werden sich mal ganz im Geheimen freuen, wenn der eine Ton oder die eine Melodie nicht sofort zu erwarten war. Jeder weiß ja, dass in der Musik die komplette Innovation, derzufolge ein Sound als komplett neu einzuschätzen ist, schon einige Zeit zurückliegt. Nun, umso schöner, wenn in bestimmten Genres sich jene Künstler/innen hervortun, die es schaffen, die verschiedensten Stile so zusammen zu bringen, dass etwas bisher kaum bis vorher nie Gehörtes entsteht. In einer Zeit, als der Indie-Rock in den 2000er Jahren seine Hochzeit feierte bzw. dann schon wieder etwas an Strahlkraft zu verlieren begann, kam ein Brite daher, der dieses Genre mit Punk, Hip-Hop, Folk, Ska, Reggae, Electro und so vielem mehr zu verbinden verstand, dass das einfach eine absolute Freude war: Jamie T. Diese Unverkrampftheit, dieses Direkte, dieses Unerschrockene, das war einfach erfrischend! Panic Prevention (2007) und Kings & Queens (2009) waren voller Punk-Energie, ganz im Sinne eines „Ein-Mann-Arctic-Monkey“, der eine Mischung aus Joe Strummer und Mike Skinner darstellt. Vor allem: der 36-Jährige hatte schon seit Anbeginn ein Händchen für das Schreiben von Hits, davon zeugen bis heute Songs wie If You Got The Money, Calm Down Dearest und Sticks ‘n‘ Stones. Nicht zu vergessen, die großartigen Geschichten, die er über seine Landsleute oder andere gesellschaftliche Grundsatzfragen, aber auch seine eigenen Angelegenheiten und Probleme (seine Panikattacken z.B.) zu erzählen versteht. Das fünfte Werk The Theory Of Whatever, das 6 Jahre nach dem Vorgänger Trick erscheint,stellt für mich das erwünschte Comeback dar. Großartige hymnische Melodien, die so schön und ausgeklügelt verschachtelt sind und wieder in die verschiedensten Musikrichtungen geöffnet sind. Innovativ ist das irgendwie doch immer noch ein bisschen. Die Unerschrockenheit und positive Verrücktheit, vor allem der Spaß, sind zumindest immer noch vorhanden. Und das ist absolut erfreulich!

Note: 2,0  

https://jamie-t.com/

Arcade Fire – WE      

VÖ: 06.05.2022

Label: Columbia

Genre: Indie-/Folk-Rock / Dance-Pop

Gestern hörten meine Schwester und ich das neue Album der kanadischen Indie-/Folk-Rocker Arcade Fire. Sie meinte, dass sie sehr begeistert von dem sechsten Werk sei und fragt mich schon seit ein paar Wochen, wie ich dazu stehe. Ich sagte eher unfreiwillig etwas, das bei genauerer Betrachtung irgendwie kennzeichnend für WE steht. Denn ich meinte, dass ich das Album so spannend fände, weil hier Bewährtes zu hören sei, ich die neue Herangehensweise an die Komposition der Stücke heraushören würde. Dann pausierte, dachte dass das doch ein Widerspruch sei. Meine Schwester sagte dann, dass das wohl das Geheimrezept sei. Ich finde, dass sie Recht hat, denn man hört einerseits diese Electro-/Disco-/Dance-Pop-Experimente heraus, die die kanadische Band bei Everything Now (2017) und insbesondere bei Reflektor (2013) in den Arcade Fire-Sound einfließen ließen. Zum anderen kommen auch die klanglichen Strukturen wieder verstärkt zum Vorschein, welche die ersten drei Werke prägten. Vor allem: man lässt sich viel Zeit! Man versieht die Songtitel mit Teil 1, Teil 2 etc., lässt die Lieder sich über mehrere Minuten entwickeln, gibt ihnen fast schon einen progressiven Charakter. Wahrscheinlich auch, um diesen recht häufig zu vernehmenden Vorwurf zu widerlegen, man mache nur noch Musik für die Massen. Vielleicht war es auch eine super Wahl, sich für Nigel Godrich als Produzenten (hat u.a. für Radiohead, Air oder R.E.M. gearbeitet) zu entscheiden, der da sicherlich geholfen hat, neue Soundimpulse und -ideen einfließen zu lassen. In den Texten widmet man unter Bezugnahme auf den dystopischen Roman We des Schriftstellers Jewgeni Samjatin (daher sicherlich der Albumtitel) Themen wie den Verlust von Individualität in einem Überwachungsstaat, die Nachwehen der Trump-Regierung und unterwirft generell sozial-politische Begebenheiten einem kritischen Blick. Insgesamt merkt man, dass Arcade Fire weiterhin einen sehr explorativen Stil pflegen, ihr Sound weist immer noch individuelle Formen auf. Mir gefällt das sehr. Liebe Ninja, du kannst beruhigt sein, We ist auch für mich ein tolles Album geworden, ganz wie du es gemeint hast! 😊

P.S.: Als ich es noch nicht wusste, habe ich bei Unconditional II (Race And Religion) gedacht, dass Win Butler sich jetzt mit seiner Stimme sehr dem Peter Gabriel angenähert hat, nur um dann festzustellen, dass der große Sänger selbst hier tatsächlich gastiert hat. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, da die Sympathien füreinander ja schon längere Zeit beiderseits bekundet wurden (u.a. hat der 72-Jährige im Rahmen seines 2010er-Albums Scratch My Back auch My Body Is A Cage von den Kanadiern gecovert; in der Folge boten Arcade Fire dann eine Neuinterpretation von Games Without Frontiers auf dem 2013er-Werk And I’ll Scratch Yours).    

Note: 2,0

https://www.arcadefire.com/

Spoon – Lucifer On The Sofa

VÖ: 11.02.2022

Label: Matador

Genre: Indie-/Blues-/Experimental-Rock

Die texanische Band Spoon besteht nächstes Jahr tatsächlich schon drei Dekaden, kaum zu glauben! Seit nun genau zwei Jahrzehnten – mit Erscheinen des grandiosen Kill The Moonlight – habe ich die Musik der Band um Britt Daniel wahrgenommen und auch in der Folge wunderbare Werke genießen können. Gimme Fiction (2005) und Ga Ga Ga Ga Ga (2007), aber auch jene der 2010er Jahre haben es mir angetan. Vor allem mit They Want My Soul (2014) verbinde ich viele Erinnerungen, da ich die Songs darauf geliebt habe und zudem eine tolle Live-Show im Kölner Luxor genießen durfte. Es ist halt einfach so, dass Spoon sich bei den Kompositionen ihrer Songs nicht gerne mit konventionellen Strukturen zufriedengeben, sondern das Experiment fortwährend als wichtiges Stilmittel begreifen und vor allem umsetzen. Dabei sich aber auch nicht zu ernst nehmen und die Melodien schon schön eingängig gestalten. Perfekte Balance sozusagen! In verschiedenen Stilbereichen suchen sie sich Elemente aus und weben sie in ihre Indie-/Alternative- Sounds ein. Das Schöne ist, auch die 2020er Jahre werden von Spoon wagemutig, kraftvoll, fokussiert und zeitgemäß fortgeführt, 5 Jahre nach dem letzten Werk Hot Thoughts (2017). Inklusive einer Reflexion menschlicher Gefühlszustände, insbesondere nach über 2 Jahren Corona-Pandemie. Lucifer On The Sofa beeindruckt mal wieder, dank so toller Songs wie Wild. Klasse!

Note: 2,0  

https://spoontheband.com/ 

                                

Tocotronic – Nie wieder Krieg

VÖ: 28.01.2022

Label: Vertigo Berlin

Genre: Indie-Rock/-Pop

Ich habe mich zum Erscheinen des 13. Studioalbums Nie wieder Krieg von Tocotronic nochmal gefragt, in welchem Kontext ich erstmals von den Hamburgern gehört habe. Es war tatsachlich so 2002, als Dirk von Lowtzow und Co. gerade Tocotronic („Das Weiße Album“ ) veröffentlichten und in dem Zuge Singles wie das grandiose This Boy Is Tocotronic oder Hi Freaks zu hören waren. Damals war mir nicht klar, dass da ja in den 9 Jahren seit Bandgründung merklich eine musikalische als auch textliche Fortentwicklung stattfand. Denn man war nicht mehr jene Lo-Fi-Formation der Anfangstage in den Mitt-90ern, die sich mit diesen unnachahmlichen Slogans, einer klaren Attitüde (Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein) und dem „Trainingsjacken-Look“ eine immer größere Anhängerschaft erarbeitete. Ein klarer Stilwechsel, der 1997 angedeutet und dann spätestens 2002 vollzogen wurde. Diese Änderungen wurden auch danach stets vorgenommen, ohne dass Tocotronic irgendwie an Substanz verloren hätten. Selbst 2015 – als die Band Tocotronic („Das Rote Album“) veröffentlichte – wurde teilweise versucht, dieses „Romantische“ bei ihr zu kritisieren oder ihr eine erstmalige Ratlosigkeit anzudichten. Letztlich doch vergeblich, zumindest ich entdeckte wieder neue Seiten an Tocotronic. Vor dem neuen Werk war ich schon geflasht, weil die neue Single Jugend ohne Gott gegen Faschismus für mich ohne Zweifel zu den besten Songs des letzten Jahres gehörte. Wieder mal alles vereint, was bestimmt nicht nur mir so zusagt: absolut hintergründig-reflektierte, raffinierte, verschiedene Themen verarbeitende und auf den Punkt gebrachte, oft auch humorvolle und selbstironische Texte mit wundervoll auskomponierten, vor allem abwechslungsreichen Melodien, die verschiedenste Elemente vereint. Zuvorderst kann man hier im Textlichen politische Motive ausmachen, die aber so viele Bedeutungsebenen aufweisen, dass man da genauer hinhören muss. So ist Nie wieder Krieg auch auf die Konflikte mit sich selbst zu beziehen…Ach, bestimmt gibt es da noch so viel mehr zu deuten. Und das ist auch gut so, das macht Tocotronic aus! Nie wieder Krieg ist ein weiteres Highlight in der Diskografie der Hamburger. Aber wer bitte hätte etwas Anderes erwartet?!? Eben!

Note: 2,0    

https://www.tocotronic.de/ 

                       

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