Broken Social Scene – Hug Of Thunder
VÖ: 07.07.2017
Label: City Slang
Genre: (Kammer-)Pop / Indie-Rock
Da hat sich kurz vor der Jahrtausendwende (und in den Jahren danach) ein wirklich spannendes Kollektiv um Kevin Drew und Brendan Canning gebildet. Wenn man sich mal anschaut, wer von deren Landsleuten (schon) alles mit den Kanadiern zusammen als Broken Social Scene musiziert (hat), so wird man sich ein Staunen sicherlich nicht verkneifen können. Neben Feist (die ja kürzlich wieder ein wundervolles, hier zum Album des Monats April gewähltes Solo-Werk veröffentlicht hat) und Jason Collett sind in der Auflistung dort unter anderem auch Emily Haines (Metric u.a.), Amy Millan (Stars u.a.) und John McEntire (Tortoise u.a.) zu finden. So stilistisch unterschiedlich und fleißig die Musiker außerhalb der Bandaktivitäten unterwegs sind, so bunt ist folglich auch der Sound des Kollektivs. Herausgekommen sind wunderschöne Alben (vor allem das selbstbetitelte aus dem Jahr 2005), die Indie-/Post-/Art-Rock, üppig orchestrierten Pop und Ambient in vielseitiger Form präsentierten. Allerdings ist das letzte Lebenszeichen der Broken Social Scene schon über 7 lange Jahre her (Forgiveness Rock Record). Nun sind sie endlich zurück. Hug Of Thunder bringt einige der oben genannten Mitglieder (wie Feist) wieder zusammen. Das Ergebnis ist schön hymnisch orchestrierter Pop, höchst gefühlvoll und optimistisch gestimmt, wenn auch keine Offenbarung. Aber das musste man ja nicht unbedingt erwarten. Freuen wir uns einfach, dass sie wieder da sind!
Note: 2,7 (vorerst)
Faber – Sei ein Faber im Wind
VÖ: 07.07.2017
Label: Vertigo
Genre: Indie-Pop / Folk
Jan Böhmermann hat sich neulich zu Recht über den deutschsprachigen Pop und seine austauschbaren Texte lustig gemacht, mit seinem Song Menschen Leben Tanzen Welt. Man darf manchmal schon entsetzt darüber sein, was man da im Radio zu hören bekommt. Da könnte glatt vergessen werden, dass es da auch Künstler/innen gibt, die Interessantes zu erzählen haben, deren Musik einen zu packen versteht. Hier bei hicemusic war man bei all der vielen Kritik beispielsweise von AnnenMayKantereit angetan. In diesem Zusammenhang war es dem Schreiber dieser Zeilen durch den Tipp einer ehemaligen Kollegin möglich, einen jungen schweizerischen Musiker in Köln live zu sehen, der ihn durchaus mit netten, gleichzeitig hintergründig-intelligenten Texten sowie virtuos und vielseitig instrumentierten Klängen (unterstützt durch einen tollen Mitmusiker) einzunehmen vermochte. Nach einer vielbeachteten EP Alles Gute (2015) nun die Debüt-LP von Faber, die klanglich und stilistisch zwischen besagten AnnenMayKantereit, Element Of Crime, Von Wegen Lisbeth sowie deutschen Singer/Songwritern wie Gisbert zu Knyphausen verortet ist. Wenn man bedenkt, dass Faber und seine musikalischen Begleiter erst Anfang 20 sind, kann man angesichts der Texte über die Alltagsprobleme nur staunen. Manchmal ist man frech, mal freudig, oft auch ironisch oder wehmütig, immer für Überraschungen gut. Das macht Laune!
Note: 2,3
Toro Y Moi – Boo Boo
VÖ: 07.07.2017
Label: Carpark
Genre: Synthie-Pop/-Funk
Hier bei hicemusic schätzt man insbesondere die frühen Arbeiten von Chaz Bundick alias Toro y Moi, auch wenn das Debüt Causer Of This (2010) nicht ganz die Qualität der beiden danach folgenden Releases erreichen kann, Underneath The Pine (2011) und Anything In Return (2013). Der Künstler ist ein würdiger Repräsentant des sogenannten „Chillwave“, (auch „Hypnagogic Pop“ oder „Glo-Fi“ genannt), einer smoothen, Synthesizer-basierten, von reichlich Psychedelik geprägten und im Gesamterscheinungsbild stark an den 1980er Jahren orientierten Musikrichtung, bei der ordentlich mit nostalgischen Stimmungen, dem Verlangen nach sorgenfreien Zeiten gespielt wird. Da Toro Y Moi stets seine persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen verarbeitete, sich dabei soundtechnisch auf den oben genannten Werken offen für andere Stile (u.a. R&B, Funk uvm.) gab, war das äußerst spannend – auch als es der „Chillwave“ nicht mehr wirklich war. Auf dem neuen Album liegt allerdings das gleiche „Problem“ vor wie auf seinem letzten (What For?, 2015), nämlich dass nur noch einzelne Songs wirklich hervorstechen, einiges fast schon zu ausgeruht wirkt. Schlecht ist das nicht, die Ideen sind dem 30-Jährigen natürlich noch nicht ausgegangen. Doch irgendwas fehlt hier, um vollständig überzeugt zu sein. Vielleicht kommt das ja noch mit der Zeit (Girl Like You z.B. funktioniert prächtig)!
Note: 2,7
Amplifier – Trippin’ With Dr. Faustus
VÖ: 14.07.2017
Label: Rockosmos
Genre: (Progressive-/Space-/Alternative-)Rock
Was den zeitgenössischen progressiven Rock angeht, verfügt man hier bei hicemusic nicht unbedingt über das größte Wissen und den angemessenen Überblick, um wirklich beurteilen zu können, wie es um das Genre steht. Ist ja auch immer eine Frage, wo man ansetzt – bei welchen Bands oder Sounds (manche zählen bekanntlich auch z.B. Muse oder Radiohead dazu). Wie bereits an dieser Stelle erwähnt, schätzt man vor allem den Output von Steven Wilson, den man als einen der „neuen“ Vorreiter des Progressive Rock sehen kann – in Solofunktion sowie mit seinen Bands – in vorderster Reihe natürlich Porcupine Tree. Toll waren letztes Jahrzehnt ebenso The Mars Volta. Einigen kann man sich ja, dass jene neuen Bands des Genres die Zutaten seiner „klassischen“ Vertreter und Vorbilder verinnerlicht haben, zum Beispiel das Abweichen von konventionellen musikalischen Strukturen, wie auch auf textlicher Ebene neue Wege ergründet werden (Stichwort: „Konzeptalbum“). Genau das liegt bei Trippin‘ With Dr. Faustus von den Briten Amplifier vor, sie nehmen den Hörer auf eine große akustische Reise mit, experimentieren – wie von ihnen gewohnt – wirkungsvoll mit den Instrumenten, erzeugen eine höchst beeindruckende Wall of Sound. Nicht so gut wie seinerzeit das Debüt, dennoch eine starke Rückmeldung (vor allem Gastsängerin Beth Zeppelin weiß mit ihrer Stimme zu gefallen)!
Note: 2,3
Baio – Man Of The World
VÖ: 14.07.2017
Label: Glassnote
Genre: Indie-Pop / Worldbeat
Hinter dem Künstlernamen versteckt sich ein gewisser Chris Baio, der sonst Bassist der Indie-Lieblinge Vampire Weekend ist (wann kommt eigentlich von denen mal wieder was Neues?). Man Of The World ist auch nicht das erste Solo-Werk, es gab zwei EPs (Sunburn, 2012 sowie Mira, 2013) sowie eine LP mit dem Titel The Names (2015). Von Letzterer hat man vielleicht noch Sister Of Pearl im Ohr, zumindest die FIFA 16-Zocker. Das ist alles wirklich souverän arrangierter Indie-Pop, der sich ähnlich wie oben genannte Band den Rhythmen nicht verschließt, zu denen man auf der Südhalbkugel zu tanzen pflegt, man sucht hier unter anderem ebenso die Nähe zu Paul Simons Sounds auf Graceland. Das fröhliche Klangbild setzt Baio sozusagen den prägenden gesellschaftlichen Ereignissen der letzten Jahre entgegen, ohne selbst allzu stark politisch Stellung zu beziehen. Herausgekommen ist ein passables, in einigen Momenten Vergnügen bereitendes Zweitwerk. Insgesamt nicht so zugkräftig wie Vampire Weekends Musik, aber eigentlich ist dieser Vergleich auch sehr unfair!
Note: 2,7
Mura Masa – Mura Masa
VÖ: 14.07.2017
Label: Anchor Point
Genre: Pop, (Tropical) House/Disco
Bei Mura Masa handelt es sich um den 21-jährigen, von der im Ärmelkanal gelegenen britischen Insel Guernsey stammenden DJ und Producer Alex Crossan. Sein Pseudonym bezieht sich auf einen im 16. Jahrhundert lebenden japanischen Schmiedemeister, um dessen Schwerter sich viele Legenden ranken. Dieser soll beispielsweise sehr blutrünstig gewesen, unberechenbaren Wutausbrüchen ausgesetzt gewesen sein. Crossan tobt sich hier hingegen musikalisch aus, vermischt auf seiner Debüt-LP unterschiedliche Spielarten, von modernem Pop über tropisch geprägte House-Sounds, eine ordentliche Portion R&B, Funk und Disco bis Hip-Hop (vor allem Trap) und Future-Bass. Naja kein Wunder, wenn man als Jugendlicher unter anderem Musiker wie James Blake, Hudson Mohawke oder SBTRKT entdeckt und deren Charakteristika verinnerlicht hat. Der Hype, der von den Medien und einigen Kollegen um Mura Masa veranstaltet wurde, erscheint zu großen Teilen berechtigt. Schön abwechslungsreich und kraftvoll sind die Songs, wobei insbesondere die Single Love $ick herausragt. Vor allem ist lobenswert, dass die Gaststars (u.a. Damon Albarn, A$AP Rocky, Jamie Lidell u.a.) nicht dafür herangezogen werden, um sich mit diesen zu schmücken, sondern sie geistreich und adäquat in die Musik einzubeziehen!
Note: 2,3
Waxahatchee – Out In The Storm
VÖ: 14.07.2017
Label: Merge
Genre: Indie-/Alternative-Rock, Folk
Out In The Storm ist die vierte Arbeit von Waxahatchee, einer nach einem Wasserlauf in Alabama benannten Formation um Katie Crutchfield, die in dem US-Staat beheimatet und dort musikalisch recht vielseitig engagiert ist. Mit ihrer Zwillingsschwester Allison, die wiederum Anfang dieses Jahres ein Soloalbum mit dem Titel Tourist In This Town veröffentlichte, gründete sie beispielsweise vor 10 Jahren die bis 2011 aktive und seit letztem Jahr wiedervereinigte Band P.S. Eliot. Der familiäre Zusammenhalt wird auch auf dem neuen Album von Waxahatchee gepflegt. Allison darf hier instrumentell wirkungsvoll unterstützen, ihr wird zudem von Katie Crutchfield ein Song gewidmet (Sparks Fly). Auch so weisen die Texte eine Menge biografische Bezüge auf, es werden persönliche Empfindungen und Probleme aufgearbeitet. Musikalisch orientiert man sich dabei vor allem an 1990er-Stilrichtungen – Indie-, Alternative-, Garage-Rock sowie etwas (Post-)Grunge und Britpop, gemixt mit zeitgenössichen Indie- und Folk-Sounds. Geht in Ordnung, irgendwie stellt sich allerdings das Gefühl ein, dass eine Courney Barnett oder eine Angel Olsen das irgendwie packender hinbekommen. Vor allem die ruhigen Songs bleiben kaum in Erinnerung!
Note: 3,0
https://www.mergerecords.com/waxahatchee
Lana Del Rey – Lust For Life
VÖ: 21.07.2017
Label: Vertigo
Genre: Dream-/Kammer-Pop
Ihr letztes Album hat es dem Schreiber dieser Zeilen wirklich angetan! Auf Honeymoon (2015) konnte Lana Del Rey ihrer Liebe für kinematographisch angehauchte Melodien, die schon seit Beginn ihrer Karriere ein Markenzeichen war, noch mehr Ausdruck verleihen und lieferte fabelhafte Songs ab. Mit ihrem Gesang konnte sie ja schon vorher überzeugen, nun taten es die instrumentellen Arrangements in Gänze, zur vollsten Zufriedenheit von hicemusic. Da waren so viele Stilrichtungen zu finden, man erkennt, dass die 32-Jährige über fundierte Kenntnisse der Pop-Historie verfügt. Zudem trat Lana Del Rey den Beweis an, dass Anspruch und Kommerz durchaus zu vereinen sind, denn das Album war in vielen Hitparaden auf oberen Rängen positioniert. Der Nachfolger Lust For Life machte auf hicemusic zunächst den Eindruck, ein paar Anlaufschwierigkeiten zu haben (die Single Love überzeugte beispielsweise erst nach einigen weiteren Hördurchläufen), doch es wird schon deutlich, dass del Rey wieder äußerst gefühlvolle, vielseitig klingende Songs aufbieten kann. Musikalisch wieder etwas am Debüt Born To Die (2012) orientiert, gibt sie sich angesichts der derzeitigen gesellschaftspolitischen Situationen (Stichwort: Trump u.a.) sehr kritisch. Interessante Gäste laufen zusätzlich auf (Stevie Nicks, The Weeknd, A$AP Rocky u.a.). In den Augen von hicemusic nicht ganz so gut wie Honeymoon, aber dennoch einnehmend!
Note: 2,3 (vorerst)
https://store.universalmusic.com/lanadelrey/
Cage The Elephant – Unpeeled
VÖ: 28.07.2017
Label: RCA
Genre: Alternative-/Garage-Rock
Die 2006 in Bowling Green, Kentucky gegründete Band Cage The Elephant konnte sich über eine Trophäe bei den diesjährigen Grammy-Awards freuen. Sie gewann mit ihrem letzten Album Tell Me I’m Pretty in der Kategorie „Best Rock Album“ (2015 war man bereits mit dem Vorgänger Melophobia für das „Best Alternative Music Album“ nominiert). Egal was man auch immer von dem Preis und der Konkurrenz in dieser Rubrik halten mag (Blink 182, Panic! At The Disco, Gojira und Weezer, hicemusic kann zumindest den Alben der beiden Letztgenannten etwas abgewinnen), ist es dem Sextett durchaus zu gönnen, dass sie für ihren Tonträger Aufmerksamkeit bekamen. Es handelt sich ja auch um ein handwerklich gut gemachtes Werk. Andererseits, bekannt waren sie ja schon vorher (Dave Grohl gehörte z.B. kurz zum Aufgebot der Band). Zudem hört man ihrer Musik die vielen Vorbilder an (z.B. von Zeitgenossen wie den Black Keys, Libertines oder Arctic Monkeys). Dies wird auch beim Hören ihres Live-Albums Unpeeled deutlich. Klar, ist alles wirklich fein arrangiert, die Band entwickelt eine hörbar große Spielfreude, die viele Fans begeistert. Aber wirklich originell ist das doch irgendwie nicht. Oder wird das von hicemusic zu streng beurteilt? Sind ja gewiss ein paar tolle Songs darunter zu finden!
Note: 3,0