Die Goldenen Zitronen – More Than A Feeling

VÖ: 08.02.2019

Label: Buback

Genre: Electronica / Avantgarde / (Alternative-/Indie-)Rock

Wer mal mag, kann sich bei YouTube mal anschauen, was für eine überaus interessante, vielseitige Persönlichkeit Schorsch Kamerun ist. Ich habe mir beispielsweise eine Aufnahme angesehen, wo er Gast in der damals von Charlotte Roche moderierten VIVA Zwei-Sendung Fast Forward (muss aus dem Jahr 2000 sein) war, in der er unter anderem über Christoph Schlingensief, seine eigenen Theaterarbeiten  oder den Hamburger Golden Pudel Club (er betrieb ihn einmal zusammen mit Rocko Schamoni) erzählt. Einige werden ihn allerdings natürlich auch als Sänger und Gründungsmitglied der Goldenen Zitronen (zusammen mit Ted Gaier) kennen, die als eine der Vorläuferbands der sogenannten „Hamburger Schule“ bezeichnet werden (die eigene Haltung  wird sicherlich durch das 1998 veröffentlichte Album Dead School Hamburg (Give Me A Vollzeitarbeit) recht eindeutig zum Ausdruck gebracht worden sein). Waren sie zunächst noch eher mit Punk und Rock bekannt geworden, der musikalisch eher „spaßig“ wirkte ( aber auch schon damals mit teils ziemlich sarkastischen Texten aufwartete), wurde es spätestens Anfang der 1990er Jahre mit einer stilistischen Erweiterung musikalisch spannend, man positionierte sich auch politisch. In dem auf Punkrock  (1991) befindlichen 80 Millionen Hooligans, aber auch auf dem fantastischen Album  Das bißchen Totschlag (1994) wurde in den Texten kein Blatt vor dem Mund genommen. Die Hamburger beklagten unter anderem angesichts der Brandanschläge (u.a. in Rostock, Hoyerswerda, Solingen und Mölln) sowie weiterer Übergriffe auf Ausländer das fehlende Engagement gegen Rassismus. Dem setzte man zum Beispiel in dem Titelsong ein Video entgegen, das damalige, eine heile Welt vermittelnde Werbeclips persiflierte. Die Goldenen Zitronen sind also für mich persönlich zum Einen wegen der Beibehaltung und Verfolgung der Ur-Idee des Punk (auch wenn dieser im Soundkosmos nicht mehr die zentrale Rolle spielt) – z.B. Kritik an bewährten gesellschaftspolitischen Strukturen auszuüben  und im Generellen Neues auszuprobieren –, zum Anderen eben durch die originellen Kontraste von Musik und Text spannend. Es trifft sich gut, dass die Band in Anbetracht gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen, der entsprechenden Reaktionen der Politik sowie dem Umgang der Medien  damit,  sich wieder zu Wort meldet. Die Goldenen Zitronen stellen sich die unterschiedlichsten Fragen, z.B. wieso bestimmte Politiker so erpicht darauf sind, Mauern zu bauen oder weshalb manche (letztendlich rassistische) Formulierungen salonfähig geworden sind. Wirklich hintergründige, zynisch-gewitzte Texte haben also weiterhin Bestand! Was mich aber auch immer noch überzeugt ist die Musik, denn es sind zeitgemäße Electronica- und Avantgarde-Sounds, die hier präsentiert werden. Auch wenn das im Gesamtbild nicht so genial wie auf Das bißchen Totschlag oder auch Economy Class ist, eines steht fest: Die Goldenen Zitronen sind immer noch im Game!

Note: 2,3 (mit Potential nach oben)

http://www.die-goldenen-zitronen.de/

 

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