Elbow – Little Fictions
VÖ: 03.02.2017
Label: Polydor
Genre: (Indie-)Pop / Rock
Gibt es eigentlich noch jemanden da draußen, der behauptet, Elbow sei eine Art zweites Coldplay? Hier lassen sich auch andere Vertreter (Travis, Starsailor u.a.) nennen, die britischen Pop/Rock seit den 1990er- oder 2000er-Jahren spielten, in der Mehrheit bis in die heutige Dekade hinein aktiv sind, also jene Bands, die uns in der Vergangenheit aufgrund der höchst emotionalen, oft melancholischen Klänge zu verzaubern verstanden, mit denen sie heute aber überwiegend nicht mehr in dieser vergleichbaren Weise packen. Elbow, das Quartett um Guy Garvey, allerdings – und das ist das wirklich Faszinierende – gehören zu den Ausnahmen, schaffen es auch auf Album Nummer Sieben qualitativ hochwertige Musik zu produzieren, die spannend ist, neugierig macht, einen emotional einnehmen kann, weshalb der anfangs gestellte Vergleich ihnen schlichtweg nicht gerecht wird bzw. werden würde. Fantastische Melodien, die stets einen dynamischen Weg einschlagen, rhythmisch vielseitig unterlegt werden. Erinnert eher Musik im Stil von Peter Gabriel (in dessen Real World Studios sie ihr letztes Album The Take Off And Landing Of Everything aufnahmen) als an jene von Coldplay! Schon die Single Magnificent (She Says) setzt ein Ausrufezeichen!
Note: 2,0
Fufanu – Sports
VÖ: 03.02.2017
Label: One Little Indian
Genre: Alternative-Rock / Electronica
Nun ja, es wird sicherlich einige Musikfans geben, die es jetzt nicht unbedingt vom Hocker reißt, wenn sie von einer Band hören, die eine Sound-Mixtur aus alternativem Rock, der sich bevorzugt in New Wave/Post-Punk-Gefilden bewegt, und Elementen elektronischer Musikstile spielt. Fufanu aus Island haben sich dennoch an diese bereits hinlänglich bekannten Zutaten gewagt, schaffen es trotzdem zu großen Teilen, ihr neue energetische Impulse zu geben. Diese Kraft sollen Kaktus Einarsson, Guðlaugur Einarsson und Erling Bang insbesondere auf ihren Live-Shows auf das Publikum übertragen, es wird von einigen umjubelten Konzerten in ihrer Heimat berichtet. Zumindest konnten sie die Aufmerksamkeit von Damon Albarn auf sich ziehen, in dessen Vorprogramm sie gespielt haben (u.a. anlässlich des Auftritts von Blur im Hyde-Park 2015). Es ist natürlich schwer sich von den großen Vorbildern in diesem Kontext zu emanzipieren (New Order, Joy Division, Depeche Mode u.a.), die hier immer wieder herauszuhören sind, aber einige nette, abwechslungsreiche klangliche Einfälle verleihen dieser Musik Eigenständigkeit. Laune macht dies ohnehin!
Note: 2,3
The Naked And Famous – Simple Forms
VÖ: 03.02.2017
Label: Somewhat Damaged
Genre: (Synthie-/Indie-)Pop / Electronica
Der Autor dieser Zeilen ist zum ersten Mal durch einen Clip von Viva mit der Musik der Neuseeländer von The Naked And Famous in Berührung gekommen, denn dieser wurde von ihrem Hit Young Blood untermalt. Dies muss so um 2011 gewesen sein, also zu jener Zeit, als das bereits ein Jahr zuvor in der Heimat der Band veröffentlichte Debüt Passive Me, Aggressive You (mit besagten Song) den Weg zu uns fand. Doch nicht nur durch Viva (das ja zu der Zeit schon kaum noch als Musik-Sender zu bezeichnen war), sondern auch durch andere Medien (insbesondere TV-Serien), die Young Blood und andere Lieder (u.a. Punching Dream, The Sun und All Of This) des Albums ausgiebig einsetzten, wurde es ein veritabler Hit (Platz 31 in den deutschen Albumcharts). Das Debüt war allerdings ebenso aus künstlerischer Perspektive positiv zu bewerten, das durch seine hymnisch-mitreißenden Melodien zu gefallen wusste. Der Nachfolger In Rolling Waves tat dies auch noch einigermaßen. Leider kann man derartiges über Album Nummer Drei nicht sagen, auf dem The Naked And Famous krampfhaft versuchen, diese Power der Vorgänger zu erreichen. Am Ende des Tages fehlen die memorablen Momente, es klingt alles zu ähnlich, Überraschungen blitzen insgesamt zu selten auf. Die Single Higher beispielsweise startet vielversprechend, allerdings selbst sie schwächelt etwas im Verlauf. Wirklich schade!
Note: 3,7
Blackfield – Blackfield V
VÖ: 10.02.2017
Label: Kscope
Genre: (Alternative-/Art-)Rock
Ja, hicemusic outet sich als Fan von Steven Wilson, sowohl in Solofunktion als auch natürlich in seiner Rolle als Sänger der absolut fantastischen Porcupine Tree (nicht zu vergessen seine Kooperationen mit Größen wie King Crimson, Yes, Opeth uvm.)! Es gibt nicht viele andere Bands, die dieser Formation vor allem im letzten Jahrzehnt in Sachen ambitioniertem, progressivem Rock das Wasser reichen konnten. Wilson ist ein großartiger Songwriter, dem es immer wieder gelingt, experimentelle und unheimlich melodiöse Klänge wirkungsvoll zusammenzuführen. Da hätte man doch glatt vergessen, dass er noch ein weiteres Projekt mit dem israelischen Musiker und Friedensaktivisten Aviv Geffen führt, Blackfield. Bereits 2004 und 2007 sind wunderbare Alben der Band erschienen. Als Wilson sich ein wenig zurückzog, er auf den weiteren beiden LPs eine untergeordnete Rolle spielte, ließ die Qualität nach. Zuletzt überlegte er gar, ganz mit Blackfield aufzuhören. Doch nun ist er auf dem fünften Tonträger wieder gleichberechtigter Songwriter neben Geffen, was prompt wieder mehr Aufwind bedeutet. Einen Anteil an einer insgesamt überzeugenden Platte hat aber sicherlich auch Produzent Alan Parsons!
Note: 2,3
http://www.blackfieldmusic.com/
Rag’n’Bone Man – Human
VÖ: 10.02.2017
Label: Columbia
Genre: Soul / Rhythm & Blues
Hier bei hicemusic wird ja größtenteils Musik besprochen, der im Radio meistens keine große Aufmerksamkeit widerfährt. Dies hat auch seinen Grund darin, dass man hier der Mehrheit der im „Dudelfunk“ gespielten Lieder aufgrund weitgehend ähnlichen Klangs nicht viel abgewinnen kann, einiges auch wirklich als enervierend erachtet. Da gibt es aber immer mal wieder wunderbare Ausnahmen, deren Klasse auch alltägliche, mehrfache Wiederholung in der Dauerrotation nichts anhaben kann. Zu diesen gehört auf jeden Fall der Song Human, der in Handywerbung und in den Playlisten unzähliger Sender sowie auf den Spitzenpositionen vieler Hitparaden Platz gefunden hat (natürlich auch in Deutschland), dem man sicherlich – selbst wenn man wollte – zurzeit kaum entkommen kann, der gleichzeitig mit zu dem Besten gehört, was man in letzter Zeit gehört hat, den Zeitgeist gerade genau getroffen hat. Feinster Pop mit Ingredienzien aus Blues, Soul und (dem klassischen) Rhythm & Blues. Nun hat der 32-jährige Brite sein Debütalbum veröffentlicht, dessen weitere Songs nicht diese hohe Qualität erreichen, aber in ihrer Gesamtheit dennoch beachtlich sind (z.B. Bitter End), einen positiven Grundeindruck hinterlassen.
Note: 2,3
http://www.ragnbonemanmusic.com/
Ryan Adams – Prisoner
VÖ: 17.02.2017
Label: Capitol
Genre: Americana / Alternative-Rock
Call Me Appetite – dessen Blog von hicemusic übrigens sehr geschätzt und überaus gerne gelesen wird – hat in seinem Artikel zum neuen Song To Be Without You bzw. dem dazu gehörigen Album von Ryan Adams geschrieben, dass es ihm rätselhaft sei, weshalb dieses von Daniel Gerhardt bei Zeit Online so schlecht beurteilt wurde. Da kann man hier nur zustimmen. Die Ausführungen sind generell zu negativ, nicht wirklich fair. So heißt es unter anderem, dass man auf seinen bisher veröffentlichten Tonträgern „(…) größtenteils selbstverliebte Folk-Balladen, rammdösigen Dad-Rock und Country-Songs (…)“ hören würde. Natürlich ist diese Meinung zu respektieren, aber da wird Adams Diskographie in ein zu schlechtes Licht gerückt, man denke doch an die immer noch wundervollen Love Is Hell-EPs (u.a. mit dem Wonderwall-Cover) oder auch das unter dem Eindruck des 11. September veröffentlichte Gold (mit dem Song New York, New York). Nun, der neue Tonträger, Nachfolger des netten Taylor Swift-Coveralbums 1989, ist der Meinung von hicemusic nach zwar nicht wirklich eine Offenbarung, aber er enthält schon einzelne gefühlvolle, packende Songs in der Tradition des Heartland-Rock (speziell im Stile Bruce Springsteens), auf denen er unter anderem die Trennung von Mandy Moore verarbeitet, die Liebe in all ihren Facetten ergründet. Besonders gelungen ist dabei Do You Still Love Me?, das die Energie früherer Tage in die Gegenwart transportiert.
Note: 2,7
Jens Lekman – Life Will See You Now
VÖ: 17.02.2017
Label: Secretly Canadian
Genre: Indie-Pop
Jens Lekman scheint immer mit höchsten Ansprüchen an die Produktion seiner Alben zu gehen, zumindest gibt er sich wohl nicht so schnell zufrieden mit den Ergebnissen. Der 36jährige Schwede lässt sich Zeit, seine Werke sind gekennzeichnet von vielfältigen und –schichtigen instrumentellen Arrangements, die Musik gibt insgesamt eine breite Palette an Stimmungen wieder, seine Texte behandeln die unterschiedlichsten Themen, sind stets von Offenheit geprägt. Erinnert sei da beispielsweise an das letzte Album I Know What Love Isn’t (2012), das vom Grundton melancholisch ausfiel, aber gleichzeitig auch positive Gefühlszustände vermittelte. Die anfangs geäußerte Vermutung, dass Lekman anspruchsvoll und selbstkritisch ist, lässt sich anhand der Vorbereitungen zur neuen LP Life Will See You belegen, denn der Sänger hatte schon 2014 einen Nachfolger vollendet, diesen aber aufgrund seiner Unzufriedenheit mit dem Ergebnis wieder verworfen. Die darauf folgenden Produktionsarbeiten ließ er gar in seinen Einzelheiten dokumentieren (Postcards). Die mühevolle Arbeit hat sich mehr als gelohnt, faszinierender Indie-Pop! Lekman befasst sich unter anderem mit Liebe und Religion, der Welt in seiner Vielseitigkeit und schafft es mal wieder, die oben genannten Fähigkeiten gekonnt einzusetzen.Toll ist auch, dass er in seinen Geschichten und der Ausgestaltung der Protagonisten unterschiedliche Rollen einnimmt, sich humorvoll und stilistisch mannigfaltig präsentiert. Vor allem die letzten 3 Songs sind grandios!
Note: 2,0
Clap Your Hands Say Yeah – The Tourist
VÖ: 24.02.2017
Label: CYHSY Inc
Genre: Indie-Pop/-Rock
Ein gelungenes Comeback legt Alec Ounsworth mit seinem neuen Album vor! Clap Your Hands Say Yeah war ja mal – einige Indie-Fans werden sich vielleicht erinnern – eine Band, genauer gesagt ein Quartett (bzw. Quintett, wenn man Tyler Sargent hinzurechnet), von denen sich die Mitglieder in den letzten Jahren nach und nach verabschiedeten, so dass es sich nun also um ein Soloprojekt handelt. Über die Gründe kann ja immer spekulieren, weshalb man sich für neue Wege entscheidet, einige der Personen gaben ja auch konkrete Gründe an (Robbie Guertin wollte beispielsweise sich seiner anderen Band, den Radical Dads, widmen), es ist jedoch ebenso durchaus möglich, dass es an individuell unterschiedlichen Soundkonzeptionen gelegen hat. Ounsworth hatte ja insbesondere auf Only Run (2014) dann Electro-Spielereien vorgenommen, die auch einigen Kritikern und vermutlich Fans weniger zusagten*. Da hatte er sich wohl zu sehr vom Indie-Rock des genialen selbstbetitelten Debüts (2005) entfernt. Dieses Niveau erreicht Ounsworth zwar auch mit dem neuen Album The Tourist nicht, doch im Gesamten präsentiert er sich hierauf wieder fokussierter, bietet Songs, die wirklich hörenswert und einprägsam sind.
*Der Verfasser dieses Textes mochte allerdings ein paar Stücke auf Only Run. Er liebte schon den angedeuteten experimentellen Charakter auf dem (seiner Meinung nach leider etwas unterschätzten) Zweitling Some Loud Thunder (2007). Dennoch kann er sich der Meinung anschließen, dass das erste Album das Highlight in der Diskographie von Clap Your Hands Say Yeah darstellt.
Note: 2,3
Dirty Projectors – Dirty Projectors
VÖ: 24.02.2017
Label: Domino
Genre: (Art-/Experimental-)Pop / R&B / Electronica
Apropos, Band und ihre Mitglieder: Im Zusammenhang mit den Dirty Projectors ließe sich noch viel mehr als bei obigen Clap Your Hands Say Yeah die Frage stellen, ob unterschiedliche Vorstellungen dazu geführt haben, dass mehrere Umbesetzungen stattgefunden haben. Fakt ist, David Longstreth ist musikalisches Mastermind der New Yorker und hat sich in den ca. 15 Jahren des Bestehens schon mit unzähligen Kollegen umgeben, es handelte sich aber immer wieder auch um ein Soloprojekt. Wie jetzt ebenso während der Aufnahmen zum neuen selbstbetitelten Werk, für das er sich allerdings ein breit aufgestelltes Gäste-Personal (u.a. Tyondai Braxton) ins Studio einlud. Zudem ist in diesem Fall klar, dass eine höchst persönliche Note einfließt, Longstreth die Trennung von Ex-Band-Mitglied Amber Coffman in ausgesprochen persönlichen Texten verarbeitet. Experimentell waren die ehemals für Indie-Rock bekannten Dirty Projectors ja insbesondere auf beiden Vorgängern schon, verlagerten ihre Klänge in Richtung Art-Pop, doch jetzt wird sich sogar an elektronisch unterstütztem R&B/Electronica-Sound (mit Autotune) – so wie es Bon Iver und Lambchop zuletzt getan haben – gewagt. Hier bei hicemusic ist man (noch) nicht so hingerissen wie es einige Musikkritiker sind, vermutet aber, dass das Werk wachsen wird. Little Bubble begeistert beispielsweise schon jetzt!
Note: 2,0