Depeche Mode – Memento Mori

VÖ: 24.03.2023

Label: Columbia

Genre: Synthie-Pop / Alternative-/Electro-Rock

Ich kann mich noch gut erinnern: es war 1997, als auf einer Bravo Hits – Compilation das großartige Lied Barrel Of A Gun enthalten war. Ja, Ihr – liebe Leser – werdet Euch fragen, eine absolut kommerzielle Mainstream-Songsammlung bringt ihn mit dieser legendären Formation in Kontakt? Hmmm ja… ich würde gerne etwas anderes erzählen, aber dies war der Fall. Ich hatte sicherlich mal was von Just Can’t Get Enough oder Enjoy The Silence gehört, aber konnte das sicherlich nicht Depeche Mode zurechnen. Mit 13 Jahren war ich einfach zu sehr im Charts-Mainstream verstrickt. Aber mit Hilfe meines Vaters wurde ich in der Folge mit der Musik abseits bekannter Pfade vertrauter gemacht, unter anderem – wie sollte es anders sein? – eben mit den Depeche Mode-Sounds. Heute bin ich wie so viele Menschen auf dieser Welt ein glühender Verehrer! Dann kommt der Umstand dazu, dass das neue Album Memento Mori genauan meinem Geburtstag erschienen ist. Nun, wie ist es denn abgesehen davon, aus rein – hüstel – objektiver Sicht? Es ist ja einiges seit dem letzten Werk Spirit (2017) passiert und der bewährte Veröffentlichtungs-Turnus (seit 1993 sind alle 4 Jahre Alben von Depeche Mode erschienen) wurde dieses Mal nicht eingehalten. Kein Wunder, ist doch unter anderem letztes Jahr Langzeitmitglied Andy Fletcher verstorben (R.I.P.). Wie so oft kann aus tragischen Momenten aber richtig gute Musik erwachsen und dies ist auch auf Memento Mori passiert! Es ist klar, dass das Thema hier vorgegeben ist, aber es werden weitere wundervoll-reflektierte und selbstkritische Sichtweisen auf Lebensereignisse und Grundsatzfragen geworfen. Es ist sicherlich so, dass Fletcher eine vermittelnde Rolle zwischen den langjährigen „Streithähnen“ Dave Gahan und Martin Gore eingenommen hat, doch gerade angesichts seines Verlustes scheinen die beiden Musiker sich zusammengefunden zu haben. Denn auch musikalisch ist das hier wirklich stark, instrumental und melodietechnisch abwechslungsreich ausgestaltet und zeitgemäß produziert. Wunderbar, also meiner Meinung nach auch aus …äh…objektiver Sicht. Naja, Ihr wisst bestimmt schon, was ich meine! 😊

Note: 2,0

https://www.depechemode.com/

  

       

Deichkind – Neues vom Dauerzustand    

VÖ: 17.02.2023

Label: Sultan Günther

Genre: Electro(-Rock/-Punk-/Clash/-Pop)

Die im letzten Jahr bereits veröffentlichte Single In der Natur hat mich mit ihrem grandiosen Musik-Video (für mich das beste aus 2022) in vollstem Maße catchen können. Da kommen halt erneut alle Stärken der Hamburger zum Tragen, für die ich sie seit jeher schätze: diese feinsten, stets den Zahn der Zeit treffenden, nach vorne pushenden Electro-Sounds, diese überaus originellen, gesellschaftliche und popkulturelle Phänomene kommentierenden und auseinandernehmenden Texte und Wortspiele/-witze sowie die die Band immer wieder definierende visuelle Komponente. Man muss sich ja mal vergegenwärtigen, dass die Deichkinder um das verbliebende Gründungsmitglied Philipp Grütering seit der Gründung Ende der 1990er Jahre nicht nur einen absolut respektablen Genre-Wechsel von Hip-Hop zu Electro vollzogen haben, sondern seitdem auch stets bedeutsam geblieben sind, seien es auch nur diese Slogans und anders im Gedächtnis gebliebenen Textzeilen aus Songs wie Bon Voyage, Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah), Arbeit nervt, Leider geil, Richtig gutes Zeugs oder Bück dich hoch. Das neue Werk Neues vom Dauerzustand bietet neben der besagten tollen Single In der Natur weitere kraftvolle Songs, die zuvor beschriebene Stärken in puncto Musik und Texte vereinen kann. Vor allem nimmt man das eigene Schaffen schön selbst aufs Korn. Der positive Eindruck stellt sich im Besonderen in der ersten Hälfte ein, mit unter anderem Auch im Bentley wird geweint (feat. Clueso) und Lecko mio. Allerdings muss ich dem entgegensetzen, dass die Songs zum Ende hin nicht ganz so stark sind, da sie in ähnlicher Form schon bekannt sind bzw. sich (noch) nicht so ganz in meinem Ohr festgesetzt haben. Das ist allerdings auch Meckern auf hohem Niveau, denn das Album ist insgesamt schon echt überzeugend. Schon wieder muss man ja sagen!

P.S.: Im Musikexpress gab’s die Höchstwertung von sechs Sternen, nicht schlecht!  

Note: 2,3 (mit Potential nach oben)  

https://www.deichkind.de/

Peter Doherty & Frédéric Lo – The Fantasy Life Of Poetry & Crime

VÖ: 18.03.2022

Label: Strap Originals

Genre: Indie-Rock / Folk

Peter Doherty ist in jedem Fall eine schillernde Persönlichkeit. Er gründete 1997 mit Carl Barât The Libertines und sollte in der Folge die 2000er Jahre in vielerlei Hinsicht prägen. In Bezug auf die Musik wurde mit den frischen, vorwärtsschreitenden und herrlich aufgedrehten – kurz gesagt: absolut genialen – Sounds und den großartigen Texten dem Indie-/Garage-Rock zu neuen song-writerischen Höhen verholfen. Als eine „britische Version“ der Strokes bezeichnet, wurden The Libertines ebenso wichtig und einflussreich wie die amerikanische Band. Eine neue Welle des Indie-Rocks prägte die Dekade. Aber ebenso wie die Musik nahmen die Schlagzeilen um Doherty kein Ende, unzählige Geschichten um Drogen, Gefängnisaufenthalte, Liebschaften, falsche als auch Verlust von engen Freunden (Amy Winehouse z..B.), heftigen Streit unter diesen (was unter anderem in einem verheerenden Einbruch in der Wohnung des Anderen gipfelt), eigene Bands (Babyshambles, Dirty Pretty Things u.a.) sowie Solo-Projekte der beiden Frontmänner – und was nicht alles! Nach dem Comeback der Libertines 2014, u.a. mit einem dritten Studioalbum (die Band existiert nach wie vor) wurden wieder eigene Wege beschritten (u.a. 2019 von Doherty mit The Puta Madres). Peter Doherty hat nun mit Frédéric Lo ein Werk veröffentlicht, das gegenwärtig zu einem richtigen Zeitpunkt da zu sein scheint. Denn angesichts der Sorgen, die uns momentan umtreiben, kann ein so zurückhaltendes, in manchen Momenten sehr romantisches Album mit fein ausgearbeiteten und vielseitig komponierten musikalischen Strukturen und wunderschöne Melodien nur guttun. Man schlägt im wahrsten Sinne ruhigere Töne an, was ja auch dazu passt, da Doherty mittlerweile ein friedvolles und skandalfreies Leben zu pflegen scheint. Schön so!

Note: 2,0

https://www.strap-originals.co.uk/ 

                                      

Sufjan Stevens & Angelo De Augustine – A Beginner’s Mind   

VÖ: 24.09.2021

Label: Asthmatic Kitty

Genre: Indie-Folk/-Rock / Lo-Fi

Ich schreibe es auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Sufjan Stevens gehört – neben Conor Oberst (von u.a. Bright Eyes) – zu meinen Lieblingskünstlern im Spannungsfeld von Indie-Rock und Folk (zumindest von den heute auch noch aktiven)! Es wird sich halt nicht nur in diesen klanglichen Bereichen aufgehalten, sondern man hält sich offen für weitere musikalische Gefilde. So ist es auf einer meiner absoluten All-Time-Lieblings-LPs, dem meisterhaften Illinois (2005). Es gibt ja darauf nicht nur nachdenkliche und melancholische, sondern auch die wahrlich bombastischen Momente, ein Riesenfest! War ja ein Teil von Stevens‘ (angeblichen) „großen Projekt“: der Widmung von ganzen Alben für jeden einzelnen US-Bundesstaat. Am Ende waren es letztlich 2, neben besagten Illinois das nicht minder beeindruckende Michigan (2003). In letzter Zeit habe ich ehrlich gesagt ein bisschen den Überblick über die Veröffentlichungen und Kollaborationen des 46-jährigen US-Amerikaners verloren, ich fand auch nicht alles großartig seit dem Meisterstreich Carrie & Lowell (2015). Aber dann kommt Sufjan Stevens für mich unvermittelt mit einem riesigen Werk herbei, einem gemeinsamen Projekt mit dem Folk-Künstler Angelo De Augustine. A Beginner’s Mind glänzt mit hochqualitativen Kompositionen. Die Melodien sind detailverliebt ausgearbeitet, man nimmt sich genug Zeit und lässt die sie auf den Hörer wirken. Stevens und De Augustine haben sich erneut mit vielseitig angelegten Themen auseinandergesetzt, die generell gesellschaftlich relevant sind, aber es kann auch recht persönlich werden. Vor allem Popkultur – insbesondere die Kinogeschichte – spielt hier eine gewichtige Rolle, wenn klassische und kultige Filme wie Das Schweigen der Lämmer behandelt und einer gerne auch mal kritischen Neubewertung unterzogen werden. Faszinierendes und schillerndes Werk!

Note: 2,0 (mit Potential nach oben)     

https://music.sufjan.com/

https://angelodeaugustine.com/

Darkside – Spiral

VÖ: 23.07.2021

Label: Matador

Genre: Electronica / Experimental / Ambient

Es war ja auch im Genre der Electronica – wie in so ziemlich jeder musikalischen Spielart (wie dem Rock) irgendwann einmal so weit – zumindest in einigen der Subgenres -, dass die kreativen Tage etwas zurück lagen und bestimmte Sounds nicht mehr ganz so frisch klangen wie in der erfolgreichen Anfangszeit. Man nehme nur mal den Big Beat, der ja ab Anfang/Mitte der 1990er Jahre mit so Acts wie The Chemical Brothers, The Prodigy oder Fatboy Slim ordentlich Fahrt aufnahm und dann aber spätestens im Verlauf der 2000er Jahre an Attraktivität wieder verlor. Nun gut, dann kommen aber immer wieder neue Innovationen und frische Ideen, die in weiteren Subgenres ihren Ausdruck finden.  Im Electronica-Bereich sind da ja immer noch die Möglichkeiten gegeben, und da kommt auch so einiges. Gerade ein Mann hat sich da in den letzten Jahren sehr hervorgetan: Nicolas Jaar. Als Solo-Künstler auf Alben (wie dem 2011er-Meisterwerk Space Is Only Noise), Remixes, Compilations und diversen anderen Erscheinungsformen. Aber auch als Against All Logic oder als Darkside. Letzteres ist ein Projekt mit dem ebenfalls vielseitigen und umtriebigen Dave Harrington, das uns 2013 das grandiose Psychic schenkte. Darauf wurde experimentelle Elektronik sowohl mit vom Grundcharakter progressiv wirkenden als auch „mainstreamigeren“ Rockstrukturen sowie Ambient zusammengeführt. Nach ein paar weiteren Veröffentlichungen – u.a. als Daftside das Remix-Album Random Access Memories Memories (des letzten Daft Punk Werkes, wie der Titel es schon vermuten lässt) – war dann 2014 leider erst einmal Schluss! Doch seit 2018  ist das Duo wieder aktiv und legt mit Spiral das Zweitwerk vor, auf das – im Gegensatz zum vielgelobten Erstling – von der Kritik im Vergleich nicht ganz so  leidenschaftlich reagiert wurde. Vielleicht ist es allerdings auch etwas schwer dieses hohe Niveau zu bestätigen. Im Grunde werden die Experimente weiter vertieft, mit höchst spannenden klanglichen Exkursionen in World Music, Pop, ambitionierten Rock und entspannten Passagen in Psychedelia, Ambient und Folk sowie vieles mehr. Im Gesamteindruck ist das nicht ganz so bestechend wie auf besagtem Psychic, doch meiner Meinung nach ist es trotzdem ein fantastischer Nachfolger. Weiterhin großartig produziert, die Songs zeichnen sich durch Ideenvielfalt und einen unheimlich überzeugenden Willen zum Wagemut aus. Was haltet ihr vom Album? Seid ihr eher enttäuscht, ist es euch gleichgültig oder seid ihr ebenfalls begeistert? Auf eure Reaktionen bin ich gespannt 😊

Note: 2,0 (mit Potential nach oben)

https://www.darksidetheband.com/

 

Vladislav Delay – Rakka II

VÖ: 16.04.2021

Label: Cosmo Rhythmatic

Genre: Ambient / Electronica

Ich habe letztens eine tolle Liste bei Spotify entdeckt, in der die interessantesten und herrlich verrückt-verspieltesten Tracks von Electronica-Acts aus dem Heimatland meiner Mutter zusammengefasst wurden. Sie nennt sich schlicht Finnish Electronic und präsentiert so unterschiedliche Künstler/innen wie Emilia, Jimi Tenor, Op:l Bastards, Esa Saarinen, Jaakko Eino Kalevi oder die Ural 13 Diktators. Natürlich findet sich darauf auch ein gewisser Sasu Ripatti, der in der Electronica-Szene unter verschiedenen Pseudonymen aktiv ist und die verschiedensten Subgenres sowie weitere Spielarten (vor allem Ambient) auslotet, in diesem Fall als Luomo. Da gab es 2000 unter anderem Vocalcity und 2003 das von mir ebenfalls höchst geschätzte The Present Lover, auf denen verschiedenen House-Formen (u.a.a Deep, Micro) kunstvoll zum Ausdruck kamen. Andere Pseudonyme waren Sistol, Uusitalo, Conoco, Ripatti, nicht zu vergessen die weiteren Kollaborationen wie das Vladislav Delay Quartet, AGF/Delay bzw. The Dolls (Gemeinschaftsarbeiten mit Antye Greie und letzteres auch noch mit Craig Armstrong) oder jene mit dem Moritz von Oswald Trio. Am bekanntesten ist Ripatti aber wohl immer noch als Vladislav Delay. Die Sounds, die unter diesem Alias produziert, zeichnen sich durch eine höchst atmosphärische Tiefe, komplexe musikalische Strukturen und eine strikt konzeptuelle Herangehensweise aus. So widmete Vladislav Delay sich auf Rakka (2020) anhand auditiv anregender, stimmungsvoller, mitreißender aber auch durchaus herausfordernder Klangerlebnisse der finnischen Natur und ihren Eigenschaften. Ist ja zu Zeiten der Corona-Pandemie irgendwie nachvollziehbar, dass man sich dieser Thematik, den verschiedenen Rückzugsorten widmet (auch wenn die Natur schon immer eine Rolle bei Vladislav Delay gespielt hat). Auf dem Nachfolger schließt er daran an, präsentiert erneut atmosphärische Klangreisen, denen wieder ein introvertierter Charakter innewohnt. Die Sounds werden fortlaufend weiterentwickelt, präsentieren vielschichtige Strukturen, überraschende Wendungen und unterschiedliche Perspektiven. Als Halbfinne mag ich da „vorbelastet“ zu sein und von Grund auf eine positive Erwartungshaltung zu haben, wenn Vladislav Delay ein neues Album präsentiert, aber es ist ja auch im Ergebnis wunderbar, oder nicht?

Note: 2,0    

https://vladislavdelay.bandcamp.com/

         

Daft Punk – Discovery

VÖ: 12.03.2001

Label: Virgin

Genre: (Post-)Disco / Dance / Electronica

Ich weiß, ich habe das sagenhafte Debütalbum der French House-Ikonen schon an dieser Stelle gepriesen. Doch es ist mir gerade, nachdem Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter traurigerweise am 22. Februar ihre Trennung bekannt gegeben haben, ein Bedürfnis, ein weiteres, meiner Meinung nach immer noch unterschätztes Werk aus ihrer Diskografie zu erwähnen und in höchsten Tönen zu loben! Bei aller Klasse einiger Nachfolger von Homework (1997) kann es doch eigentlich nur eines sein, das da in Frage kommt, oder? Es ist vor kurzem 20 Jahre (!) alt geworden und ich wollte es gerade nach dem Split von Daft Punk unbedingt zum Geburtstag auf Platte geschenkt haben. Doch keine Chance, es war ausverkauft! Ich meine natürlich Discovery, das wahrscheinlich nicht nur mir in Erinnerung geblieben ist: wegen der absoluten Hits wie One More Time, wegen der ganzen öffentlichen Diskussion um den damaligen Stilwechsel des Duos von French House- zu Disco-Sounds, den im Anime gehaltenen Musikvideos (die damals im Musik-Fernsehen rauf und runter gespielt wurden), dem unbestreitbaren Nostalgie-Faktor und vielem mehr! Aber der Reihe nach. Ende 2000 erschien besagtes One More Time, das der ganzen Fan-Schar, die das damals knapp 4 Jahre alte Debüt Homework zurecht anbeteten, doch einige Irritationen bereitete. Wollte Daft Punk etwa (auch vor „Cheesiness“ nicht zurückschreckenden) Disco-Pop/R&B (und weiteres wie New Wave, Funk und Jazz) mit „richtigen Song-Strukturen“ machen? Jene Band, die den French House und allerlei „bollernde“ Electro-Sounds mit Brechern wie Around The World, Da Funk, Burnin‘ und vielen anderen einer größeren Hörerschaft zugänglich, auf unvergessliche Weise erfahrbar gemacht – und damit ein Genre geprägt – haben? Warum? Es waren einige, die das zunächst nicht akzeptieren wollten. Ich gehörte schon 2001 als musikalisch nun wirklich nicht gefestigter Teenie nicht zu jener Gruppierung. Ich liebte One More Time und natürlich das dann ein paar Monate später, im Frühjahr des Jahres erschienene Album  Discovery  schon immer, hörte es zu dieser Zeit schon rauf und runter. Auch in der Gegenwart, insbesondere nachdem die für mich irgendwie doch bestürzenden Trennung von Daft Punk, habe ich das Album auf CD – ja, in meinem Auto ist das noch möglich 😊 – nochmal in Dauerschleife laufen lassen. Es bleibt dabei, ich liebe diese Platte immer noch! Es wirkt zu keinem Zeitpunkt veraltet, die Sounds dröhnen so frisch wie anno 2001 aus den Boxen. Daft Punk haben damit etwas erneut geschafft, was sie mit Homework Ende der 1990er Jahre für den House erreichten. Sie beeinflussten mit den Sounds folgende Musiker-Generationen, machten Disco-Sounds wieder salonfähig im Pop, prägten den Produktionsstil usw. Warum wohl hat Kanye West sich ein Harder, Better, Faster, Stronger als Sample-Vorlage vorgenommen, um 2007 mit Stronger einen Hip-Hop-/Electronica-Crossover-Hit zu landen? Waren es vorher die Rock-Fans, denen mit Homework Electro-Klänge schmackhaft gemacht werden sollten, war es diesmal genau andersherum: jetzt sollte klar werden, dass Rock eben cool ist. Daft Punk haben es sowieso seit jeher verstanden, innovativ und gleichzeitig kommerziell erfolgreich zu sein. Ein Song wie Get Lucky mit Pharrell Williams und Nile Rodgers von ihrem letzten Studio-Album Random Access Memories (2013) spricht da wohl Bände, auf dem man sich ja dann erneut auf die Disco-Erforschungsreise begab. Auf Discovery wurden die Grundlagen geschaffen! Das Hit-Quartett um One More Time, Aerodynamic, Digital Love und Harder,Better,Faster, Stronger, die weiteren, ebenso  erfolgreichen Singles Face To Face und Something About Us, aber auch die „heimlichen“ Granaten wie Voyager, Superheroes oder High Life – ach alle Songs – sind von ihren Stimmungen jeweils so unterschiedlich und von ihren musikalischen Stilen her so vielfältig aufgestellt, sie runden ein unvergleichliches Album ab! Sehr traurig, dass diese Band sich aufgelöst hat, aber es bleibt auch hier die Musik. Hört unbedingt ihr absolutes Meisterwerk Homework, aber vergesst mir Discovery bitte nicht!

Note: 1,3

https://www.daftpunk.com/

                                

DJ Hell – House Music Box (Past Present No Future)

VÖ: 27.11.2020

Label: The DJ Hell Experience

Genre: Electronica

Der Berliner Produzent Helmut Josef Geier aka DJ Hell ist bereits seit den späten 1970er Jahren musikalisch aktiv. So hat er sich gerade zu Beginn seiner Karriere viel mit der künstlerisch ambitionierten elektronischen Musik dieser Zeit in Deutschland auseinandergesetzt. Dieser Experimentiergeist drückt sich auch in seinem Klangschaffen aus. Stets am Puls der Zeit hat der 58-Jährige sich mit den jeweiligen Phasen des Genres auseinandergesetzt und dabei Referenzen auf seine großen Vorbilder eingebaut. Man denke da nur an das grandiose Teufelswerk (2009), auf dem er unter anderem Kraftwerk huldigte. Immer wieder gab es eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Stilen (u.a. mit dem von DJ Hell als große Inspiration bezeichnete Detroit Techno). Diese individuelle Interpretation und die Umsetzung haben ihm ein ausgezeichnetes Renommee verschafft, auch und insbesondere international. Sogar der große John Peel hat mit ihm 1995 eine seiner berühmten Sessions aufgenommen. Von vielen Fachzeitungen (u.a. das Groove Magazine) wähl(t)en ihn regelmäßig zu den besten deutschen DJs (neben anderen Größen der Szene mit einem ähnlich guten Image, wie z.B. Sven Väth). Nachdem DJ Hells letztes Album Zukunftsmusik (2017) titelgemäß mit den Sounds aufwartete, die ein späteres Jetzt definieren werden, wird nun auf der neuen LP House Music Box (Past Present No Future) eine Rückschau auf das geboten, was einmal die elektronische Musik, insbesondere den House, ausgemacht hat. Hier wird den Nostalgikern unter uns eine Möglichkeit gegeben, sich noch einmal in jene Zeiten zurückzuversetzen, als Techno und House ihre revolutionären Anfänge hatten, wo unzählige Menschen mit neuartigen Klängen konfrontiert wurden, die oft Bedeutung für sie über die Musik selbst hinaus haben würden.  So gibt es einen Bezug auf die großen deutschen Interpreten wie Kraftwerk, aber auch auf die Szenen in Chicago, Detroit und New York der 1980er Jahre bzw. die Inspirationen (u.a. mit einem Sample von Jimi Hendrix). Natürlich heißt es im Titel „No Future“, aber DJ Hell wäre nicht DJ Hell, wenn er trotz des Rückschau-Charakters nicht auch wieder zeigen würde, wie zukunftsgewandt seine Sounds dennoch immer sind!

Note: 2,0

https://www.facebook.com/DJHellOfficial

 

Deichkind – Wer sagt denn das?

VÖ: 27.09.2019

Label: Sultan Günther

Genre: Electro(-Punk)

Ich kann mich erinnern, dass mal jemand sagte, dass Deichkind vor über zehn Jahren aus der deutschen Hip-Hop-Szene von anderen etablierten Acts  vertrieben worden seien.  Ich habe da Unterschiedliches gelesen, es wird aber schon allgemein gesagt, dass die damals noch als Trio aktiven Hamburger irgendwie kaum noch Perspektiven in diesem Genre sahen. Ich finde persönlich, dass man der Band allerhöchsten Respekt zollen sollte, egal aus welchen Motiven heraus dieser Wechsel in die Bereiche des Electro(-Punk) vollzogen wurde. Denn auch wenn ich sie als Hip-Hopper geschätzt habe – mit dem Debüt Bitte ziehen sie durch (2000) und Hits wie Wer bremst das?!, Komm schon, Kabeljau Inferno und vor allem die Nina-Kollaboration Bon Voyage (dessen einzigartiges Video ich damals auf MTV und den beiden VIVA-Channels rauf und runter geschaut habe) – finde ich sie seit dem Wechsel mindestens genauso spannend. Der Wortwitz, diese höchst originellen Slogans der frühen Bandphase sind ja geblieben.  Wer erinnert sich nicht an die Textzeilen beispielsweise aus Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)? Das Album, auf dem der wohl bekannteste Song enthalten ist – das 2006er-Aufstand im Schlaraffenland markierte den radikalen Wechsel zu Electro, nachdem man auf Noch fünf Minuten Mutti (2002) und mit der Trio-Ur-Besetzung ja schon viel damit experimentiert hat. Deichkind wurde umbesetzt –  aus der Urbesetzung blieb nur noch Philipp Grütering übrig, erst 2006 Malte Pittner und 2008 dann auch Bartosch Jeznach waren weg, es kamen neue Leute wie Ferris MC dazu, nicht zu vergessen im Jahre 2009 der tragische Tod des Produzenten Sebastian Hackert (der übrigens als hauptverantwortlich für den Stilwechsel gesehen wird)  –, die Live-Shows wurden von Mal zu Mal „ausgefallener“, mit verschiedenen originellen Kostümierungen sowie vielen Farben, und die Band somit kommerziell erfolgreich, ein Massenphänomen (ich kann mich erinnern, dass ich sie mal auf dem Hurricane-Festival sehen wollte, es aber einfach zu voll war, um überhaupt irgendetwas zu sehen). Das musikalische Rezept waren „Bollerbeats“  und eben jene zuvor erwähnte sloganartigen Texte, die im Stile von Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah) auch auf den folgenden Alben Arbeit nervt (2008), Befehl von ganz unten (2012) und Niveau weshalb warum (2015) durchgezogen wurde. Aber: Langweilig wurde es zumindest für mich nicht, eben weil man den nötigen Humor beibehalten hat, sich immer wieder originelle Textpassagen einfallen ließ, man Stellung zu jeweils gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen und Phänomenen nahm. Christian Bos vom Kölner Stadt-Anzeiger hat dazu gestern in einem wirklich gut geschriebenen Artikel Stellung genommen, Deichkind bewege sich stetig auf der „Linie zwischen stumpfer Abfahrt und hoher Kunst“. Ich kann dem zustimmen, manchmal schüttele ich schon den Kopf ob so mancher Zeilen, habe aber immer wieder Spaß dabei. Mit dem jetzt erschienen siebten Album Wer sagt denn das?  (das erste ohne Ferris MC) geht mir das erneut so. Der Titelsong ist wirklich fantastisch, man nimmt pointiert und ironisch Stellung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und zu Aussagen wie „Dummheit ist nicht erblich“. Doch auch der Rest ist zu großen Teilen wirklich herrlich, es gibt Sounds und Beats, die nur oberflächlich stumpf wirken, oftmals aber richtig hochqualitativ sind (z.B. eine richtig originelle Anspielung auf Kraftwerk in Endlich Autonom oder das auf Marilyn Manson anspielende Bude Voll People). Dann wieder einmal die wirklich intelligenten Texte, in denen man sich treffsicher und (selbst-)ironisch mit Themen wie Binge-Watching, wie in Keine Party zur eigenen Bandhistorie („Schluss mit Remmidemmi (…) dieses Bum-Bum-Bum hält doch keiner aus (…) /Da oben steht vermeintlich die Band, die die Party rockt / Doch die hab’n das alles einfach von den Beastie Boys gezockt“ u.a.) oder  Populismus nimmt. Die Band möchte wohl wirklich nicht mehr nur als „Partyband“ angesehen werden.  Ich bleibe dabei, ich bin ein Fan der Hamburger, auch – nein, vor allem wegen – Wer sagt denn das?. Ein großer Spaß mit viel Prominenz  in verschiedenen Funktionen (Jan Böhmermann, Olli Schulz, Alexander Marcus, Das Bo, Bela B, Lars Eidinger, Till Lindemann uvm.)!

Note: 2,3 (mit Potential nach oben)  

https://www.deichkind.de/

 

Mac DeMarco – Here Comes The Cowboy

VÖ: 10.05.2019

Label: Caroline

Genre: Indie-/Psychedelic-Rock

Ich hab ja bereits in den Kurzkritiken erwähnt, dass es im Mai schon einige Kandidaten für die „Kontrovers“-Sparte gibt. Da wären zum Beispiel Rammstein, Morrissey, ja vielleicht auch Flying Lotus zu nennen. Nicht zu vergessen ein paar Interpreten/Interpretinnen, die ich aus unterschiedlichen Gründen erst gar nicht besprochen habe. Hauptkriterium bleiben ja oft meine Erwartungen und Eindrücke im Vergleich zu Kritikerreaktionen, die wiederum zumeist jeweils höchst unterschiedlich ausfallen, um dann in der Sparte zu landen. Da sind in den jetzt zweieinhalb Jahren schon unterschiedlichste Resultate erfolgt. Im Mai kam dann jedoch eigentlich nur ein Künstler in Frage: der Kanadier Mac DeMarco, dessen musikalischen Output ich bisher durchaus geschätzt habe.  Aber wie verhält sich das nun mit Here Comes The Cowboy? Es sollen ja einige Mitski-Fans erzürnt gewesen sein, weil die Single Nobody den gleichen Titel wie jene der US-amerikanischen Sängerin getragen habe, zu allem Überfluss auch noch Ähnlichkeiten in den Albentiteln bestanden (die letzte LP von ihr aus dem letzten Jahr heißt Be The Cowboy). Vor allem aber sind die Reaktionen der Musikkritiker höchst unterschiedlich ausgefallen, eigentlich eher ins Negative tendierend. Ich muss dazu sagen, dass ich so manches, was Mac DeMarco bezüglich der neuen Veröffentlichung vorgeworfen wird, nachvollziehen kann. Das Album weist ein paar Längen auf, manchmal fehlen mir die überraschenden Momente, die es bei dem Kanadier vorher immer wieder gab. Bedenkt man vor allem, dass hier Cowboy-Geschichten erzählt werden, die wohl den Stereotypen widersprechen sollen. Nicht falsch verstehen, schlecht oder enttäuschend ist das in meinen Augen auch wieder nicht, es gibt tolle musikalische Einfälle, unter anderem in den klasse Songs On The Square oder dem oben erwähnten Nobody. Ich hatte allerdings in Rahmen der Rezension zu Another One (2015) geschrieben, dass Mac DeMarco mit seinen „leiernden Melodien“ nicht übertreiben dürfe – also vereinfacht gesagt, der gewiss individuellen Mischung aus Indie- und Psychedelic-Rock. Ich glaube, ein wenig, dass dies jetzt zumindest ein bisschen eingetroffen ist! Was sagt Ihr zu dem Album? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!

Note: 2,7

http://www.mac-demarco.com/

 

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