The Naked And Famous – Recover

VÖ: 24.07.2020

Label: Somewhat Damaged

Genre: (Synthie-/Indie-)Pop / Electronica

Ein Freund von mir unterschätzt sicherlich seine musikalische Kenntnis und Weitsicht. Schon seit Jahren versucht  er mir zu erklären, dass er sich keine Musiker/innen oder Bands  merken könne. Dabei kommt er oft mit Acts um die Ecke, von denen ich sicherlich noch nichts gehört habe. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass ich alles kenne, aber ja zumindest so ein paar der derzeitigen Bands im „Indie-Bereich“. Doch der Freund zeigt mir dann bei YouTube Sachen, da muss ich staunend mitteilen, dass ich von der Band oder dem/der Musiker/in X wenig bis gar nichts gehört habe. Sind schon interessante Sounds dabei erklungen. Er war es auch, der mir so vor ca. 10 Jahren diesen einen Song dieser neuseeländischen Formation erstmals gezeigt hat, der dann später von VIVA für einen Promo-Clip verwendet und irgendwann in der Folge ein veritabler Indie-Hit wurde. Ja klar, es handelt sich um Young Blood von The Naked And Famous. Der Song war wirklich eingängig, überzeugte gleichzeitig mit moderner Produktion und frischen Ideen. Das zugehörige Album Passive Me, Aggressive You (2010) war ein Beweis dafür, dass manchmal mehr als nur die Hit-Single rausspringen und eine gute Form weiter bestätigt werden kann. Es gab weitere Hymnen wie All Of This oder Punching In A Dream. Die Neuseeländer konnten auch auf dem Nachfolger In Rolling Waves (2013) mit einer unkonventionellen Herangehensweise an Indie-Pop überzeugen. Das dritte Werk Simple Forms (2017) konnte mich zumindest aber nicht mehr catchen. Zu viele Wiederholungen im Bereich von Synthie- und Indie-Pop mit weiteren Electronica-Elementen. Und nun gibt es Album Nummer Vier mit dem verheißungsvollen Titel Recover. Ich mache es kurz, es ist überhaupt nicht gut, es ist vielmehr unglaublich langweilig mit uninspirierten Songs zwischen den Polen Hymne und Ballade. Es gibt kaum nennenswerte Momente, es fließt so dahin, ohne dass es meine Aufmerksamkeit gewinnen kann. Die Texte sind nicht der Rede wert und alles lässt den Verdacht nahe erscheinen, dass man lieber massenkompatibel sein möchte. Muss nicht immer ungünstig sein, hier aber schon. Dem Duo Alisa Xayalith / Thom Powers (Aaron Short und Jesse Wood haben die Band vor zwei Jahren verlassen) gehen vielleicht die Ideen aus, wer weiß. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass diese Musik dem Freund gefällt, ich frage ihn mal bei Gelegenheit. Aber vielleicht sehe ich das ja auch total falsch. Was meint ihr? Ist das Album von The Naked And Famous doch klasse und ich erkenne es nicht? Oder stimmt ihr mit ein, dass es langweilig ist? Auf eure Meinungen bin ich gespannt!

Note: 4,0      

https://www.thenakedandfamous.com/

 

The National – I Am Easy To Find

VÖ: 17.05.2019

Label: 4AD

Genre: Indie-/Alternative-Rock

Ja richtig, auf dem Cover des neuen Albums I Am Easy To Find von The National ist Alicia Vikander zu sehen, eine von mir überaus geschätzte Darstellerin. Ich habe irgendwo letztens gelesen, dass sie ja eigentlich so jede Rolle spielen könne. Tatsächlich hat die Schwedin uns schon verschiedene Charaktere präsentiert, z.B. den weiblichen Androiden Ava in dem genialen Ex Machina oder zuletzt Lara Croft in dem okayen Update von Tomb Raider. Nun, sie ist auf dem Cover zu sehen, da sie in einem (auf YouTube zu sehenden) Kurzfilm mit dem Titel I Am Easy To Find (siehe Verlinkung unten) agiert, zu dem The National Musik beigesteuert haben. Gedreht wurde dieser übrigens von keinem Geringeren als Mike Mills, der unter anderem die  Videos zu den Singles des Air-Meilensteindebüts Moon Safari (All I Need, Sexy Boy und Kelly Watch The Stars) erschaffen hat, aber dem wir auch Kinofilme wie Thumbsucker, Beginners oder Jahrhundertfrauen verdanken. Gesehen habe ich besagten Kurzfilm noch nicht, aber nach dem Rezipieren des zugehörigen Albums – das ausdrücklich kein Soundtrack, sondern ein reguläres Werk des Quintetts (mitproduziert von Mills)  aus Ohio darstellen soll – habe ich große Lust dazu! Was ist nun aber zum Musikalischen zu sagen? Ich schrieb schon anlässlich des letzten, in meinen Augen absolut überzeugenden Sleep Well Beast (2017, das Werk war einer meiner Lieblinge aus dem Jahr), dass sich die qualitative Wirkung erst nach ein paar Hördurchläufen entfalten würde, dann aber auch auf eindrückliche Weise. Dies gilt nun ebenfalls für den Nachfolger. Interessant ist das eh für mich an The National, dass ich doch vorab davon ausgehe, sie würden sich irgendwie wiederholen, ihre Musik an Reiz verlieren, nur um dann vom Gegenteil überzeugt zu werden. Es gibt zwar einen gewissen Trademark-Sound, melancholisch-mitreißende Melodien in Kombination mit der tiefen Stimme Matt Berningers, aber dennoch werden immer wieder neue Ideen eingebaut. Mag nun unter anderem daran liegen, dass Gastsängerinnen wie Sharon Van Etten, Mina Tindle, Kate Stables (This Is The Kit), Gail Ann Dorsey oder Lisa Hannigan aushelfen und sich daraus wundervolle mehrstimmige Gesänge bilden, in denen der The National-Frontmann nicht zwangsweise die dominierenden Anteile einnimmt! Thematisiert werden die wichtigen Fragen unserer Lebens, die Liebe und menschliche Beziehungen, Identitätssuche und vieles mehr, mal wieder verpackt in epische und erstklassig instrumentierte Songs.  Schon eine Wucht, langweilig wird The National einfach nicht!

Note: 2,0

https://americanmary.com/

 

 

Der Mike Mills-Kurzfilm:

Nightmares On Wax – Shape The Future

VÖ: 26.01.2018

Label: Warp

Genre: Electronica / Downtempo

George Evelyn ist  führender kreativer Kopf der Nightmares On Wax und das schon seit mittlerweile 30 Jahren. Er gehört Warp Records mit ein paar Mitstreitern schon seit den Anfangstagen des Labels an, veröffentlichte 1991 dort erstmals nach aufregenden Singles (Dextrous und Aftermath ) und einer EP (A Case Of Funk) das Album A Word Of Science: The First And Final Chapter. Es wurde im klanglichen Umfeld des Bleep-Sounds veröffentlicht, hatte aber schon damals mehr vom Trip-Hop, der ziemlich genau zu der Zeit in seiner Blüte stand. Nach einer Pause folgten dann die Meisterarbeiten  des Briten, Smokers Delight (1995) und Carboot Soul (1999), mit denen Electronica, insbesondere Chillout/Downtempo auf ein neues Level gehoben wurden, mit effektivem Zugriff auf Elemente aus Jazz, Soul, Hip-Hop, Funk, Dub (u.a.). Ich persönlich schätze auch die danach erschienenen  Alben Mind Elevation (2002) und In A Space Outta Sound (2006), auch wenn sie das Niveau der zuvor erwähnten Werke nicht mehr erreichten. Danach habe ich das Interesse verloren, weil ich vor allem die innovativen, überraschenden Momente vermisste. Der neue Tonträger erhält nun auch sehr gemischte Kritiken. Die meisten Musikmedien siedeln es im Mittelmaß an, es gibt aber auch sehr negative und positive Reaktionen. Ich selbst bin weder wirklich enttäuscht noch angetan von Shape The Future. Gerade angesichts des Titels hätte ich mir davon versprochen, dass das Ergebnis innovativer daherkommt, auch gerade weil es auf Warp Records, dem Label für unkonventionelle Sounds, erscheint. Das ist leider nicht wirklich der Fall. Was haltet ihr von dem Album? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!   

Note: 3,0

https://radio.nightmaresonwax.com/

 

N.E.R.D. – No One Ever Really Dies

VÖ: 15.12.2017

Label:  Columbia

Genre:  Hip-Hop / Funk / R&B

Für mich persönlich stellte es schon eine sehr positive Nachricht dar, dass dieses Comeback verkündet wurde. Es bezieht sich ja natürlich ausschließlich auf diese Band im Gesamten, nicht um das zweifellos bekannteste Gesicht von ihr: Pharrell Williams. Klar, wer muss diesen Mann schon vorstellen?!? Wo war er denn nicht dabei? Er ist auf jeden Fall eine der präsentesten Musiker der letzten Jahre, nicht nur wegen Get Lucky, Blurred Lines, Happy oder zuletzt Feels. Einige seiner eigenen Produktionen sowie Kollaborationen waren okay, manches hinterließ meiner Meinung jedoch auch einen eher mäßigen Eindruck. Meine Vorfreude bezog sich wie bereits erwähnt auf ein Kollektiv mit dem 44-Jährigen, nämlich das Projekt N.E.R.D. , das er mit Shay Haley und Chad Hugo bildete. Letzterer sollte da noch einmal gesondert hervorgehoben werden, denn er ist seit 1992 mit Williams ebenso als The Neptunes aktiv, nachweislich die wichtigsten Produzenten der 1990/2000er-Jahre (neben Timbaland, Missy Elliott u.a.). Es würde hier jetzt den Rahmen sprengen, wenn auf ihre Arbeiten konkret eingegangen würde. Besagte Williams und Hugo gründeten im Jahr 1999 N.E.R.D., um sich noch eingehender mit verschiedenen Genres zu beschäftigen und auf hohem Produktionslevel zu experimentieren. In diesem Zusammenhang entstand 2001 das fantastische Rap/Funk-Rock-Debüt In Search Of… (2001) mit Power-Songs wie Lapdance, Rock Star, Truth Or Dare, Provider uvm. Der Nachfolger Fly Or Die (2004) überzeugte mich erneut, hatte er doch Kaliber wie She Wants To Move zu bieten. Eines muss ich jedoch auch zugeben: das Comeback erfolgt nun nach 7 langen Jahren. Mir kam die kreative Pause jedoch noch viel länger vor, ich bin ehrlich gesagt von fast eineinhalb Dekaden ausgegangen (eben seit Fly Or Die). Ich hatte Seeing Sounds (2008) und Nothing (2010) total vergessen (die Band veröffentlichte die beiden Tonträger nach einer kurzen Trennungsphase), die ich allerdings ohnehin nicht besonders gut fand. Nun also No One Ever Really Dies (selbstbeititelt, da es ausgeschrieben für N.E.R.D. steht), von dem – so finde ich – mit der Single Lemon, gefeatured von einer richtig gut aufgelegten Rihanna, ein absolut vielversprechender Vorbote ausgekoppelt wurde. Was ist nun zum Album zu sagen? Die Kritiken sind ja eher gemischt, vor allem in deutschen (Musik-)Zeitungen/Zeitschriften. Die Welt schreibt beispielsweise: „Ein fast völlig unhörbares Meisterwerk“, Intro hat quasi nichts Positives zu berichten, der Spex-Autor Niklas Fucks hebt die Überdrehtheit des Werks hervor, stellt sie jedoch immerhin nicht ausschließlich in ein negatives Licht. Ich finde ebenso ein paar Momente vor, die enervierend wirken, bin aber vom produktionstechnischen Standard der Platte überwiegend begeistert. Es gibt zudem neben Rihanna weitere namhafte Features (Outkasts André 3000, Kendrick Lamar, M.I.A. , Future und sogar Ed Sheeran u.a.), die größtenteils funktionieren. Also ich bin überzeugt! Was haltet ihr von dem Album? Ich freue mich über Eure Kommentare!

Note: 2,3

http://www.nooneeverreallydies.com/

 

NRVS LVRS – Electric Dread

VÖ: 13.10.2017

Label: Hz Castle

Genre: Indie-/Synthie-Pop,  Dark Wave

Wenn gegenwärtig über Bands geschrieben wird – am besten noch ein Duo in der Frau/Mann-Kombination –, die Synthie-/Electro-/Dream-Pop spielen, so ist das wohl eher nichts Neues mehr. Andererseits gibt es ja doch noch einige Vertreter, die durchaus Spannendes zu bieten haben. Mit dem Wissen und dieser Erwartung bin ich auch an die Besprechung des neuen Album von NRVS LVRS (ausgesprochen: „Nervous Lovers“) gegangen. Eine wahrhaft kluge Entscheidung, soviel sei schon einmal verraten. Bevin Fernandez und Andrew Gomez schaffen es, die Klänge, die in den oben genannten Genres hauptsächlich verortet sind, sich darüber hinaus weiteren Stilarten gegenüber offen halten – angesiedelt im Indie-Pop/-Rock-Kosmos von kanadischen Formationen wie Metric oder den Stars, sogar einen leichten Dark Wave-Anstrich haben – überaus abwechslungs- und wendungsreich zu halten. Schon in dem ausführlichen und faszinierenden Interview mit den US-Amerikanern  – das in dem entsprechenden Spotlight-Feature noch einmal nachgelesen werden kann – wurde klar, dass sie über ein reichhaltiges Wissen über die Pop-Historie als auch gegenwärtige musikalische Entwicklungen verfügen – unter anderem ebenso über deutsche Künstler/innen einiges wissen –, mit einer individuellen Interpretation an das Schreiben ihrer Songs gehen. Sie zum Beispiel Experimente in der Instrumentierung vornehmen und sich textlich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen. In ihrer Heimat wurde bereits ihr 2015er-Debüt The Golden West begeistert aufgenommen, man konnte sich – wie bereits in dem Feature erwähnt – über San Francisco hinaus, wo die Band vor 3 Jahren gegründet wurde, einen höheren Bekanntheitsstatus erarbeiten. Auf dem Nachfolger zeigen sie, dass diese positiven Entwicklungen überaus gerechtfertigt sind. Die Hoffnungen, die ich vor der Veröffentlichung bereits hegte, sind in Erfüllung gegangen: Electric Dread ist vielseitig und -schichtig, das Duo findet eine perfekte Balance zwischen Eingängigkeit und Experiment. Das ist wirklich aller Ehren wert!

Note: 2,0

Übrigens, NRVS LVRS sind ab Donnerstag in Deutschland auf Tour. Hier noch einmal die konkreten Daten:

19.10. NochBesserLeben | Leipzig

20.10. Fliese | Halle/ Saale

21.10. Cord | München

22.10. Scheune | Dresden

24.10. Helter Skelter | Hamburg

25.10. Wildenbruch | Berlin

28.10. Sparte4 | Saarbrücken

 

https://www.nrvslvrs.com/

 

The National – Sleep Well Beast

VÖ: 08.09.2017

Label: 4AD

Genre: Indie-/Alternative-Rock

Ich bin erleichtert! 4 Jahre kommen mir dann doch immer länger vor, als ich ohnehin schon befürchte, obwohl diese Zeitspanne zwischen dem Release zweier LPs im Musikbusiness keine Ausnahmeerscheinung mehr darstellt. So ewig ist es auf jeden Fall her, als The National ihre letzte Platte – das mal wieder einige Hymnen bereithaltende Trouble Will Find Me (Demons, I Need My Girl u.a.) – veröffentlichten. Seitdem hat sich ja bandintern einiges getan, die Mitglieder hatten andere Projekte initiiert bzw. weiter geführt, nicht nur Frontmann Matt Berninger. Da gab es unter anderem EL VY, LNZNDRF, die Pfarmers etc., in denen sich ebenso die anderen Mitglieder engagierten, zuletzt hatte ja Bryce Dessner dieses Vorhaben, ein Konzeptalbum über Planeten zu schreiben, mit Nico Muhly, Sufjan Stevens und James McAlister in die Tat umgesetzt. Manches funktionierte, manches eher weniger. Über die Hauptband lässt sich jedoch einfach nicht meckern, wenn dann nur auf hohem Niveau. The National hat in der Frühphase schon beachtenswerte Tonträger produziert, spätestens mit Boxer (2007) dann in künstlerischer Hinsicht den Durchbruch geschafft, mit jenen Hymnen, für die man die Formation aus Cincinnati so liebt. Ich sage nur Fake Empire! Für mich zählen der Song sowie das dazu gehörige Album ungelogen zu meinen absoluten Favoriten des letzten Jahrzehnts. Genauso bin ich mir sicher, dass der Nachfolger High Violet (2010) am Ende dieser Dekade zu meinen liebsten Werken gehören wird. Auch hier, großartig geschriebene Songs wie Bloodbuzz Ohio oder Anyone’s Ghost, unvergessliche Geniestreiche! Bei dem bereits zu Beginn erwähnten Trouble Find Me war ich zwar nicht vergleichbar euphorisiert, dennoch fand ich das Ergebnis überaus gelungen. Als ich erstmals die Singles von Sleep Well Beast hörte, erachtete ich sie anfangs als „nur“ gut, muss allerdings sagen, dass sie ihre Wirkung mit jedem weiteren Hören weiter entfalten, vor allem Day I Die und Carin At The Liquor Store. Es gibt manche, die schreiben, dass The National nicht mehr zu überraschen wüssten, zu einer recht oberflächlichen „Stadion-Band“ mutiert seien. Weshalb? Hier gibt es hintergründige Texte, die zum einen persönliche, zum anderen gesellschaftspolitische Bezüge aufweisen, unterlegt von immer noch mitreißenden Melodien, bei denen mit frischen Ideen überrascht wird (Mouse on Mars haben unter anderem ausgeholfen!). Also mir jedenfalls gefällt es nach wie vor ausgesprochen gut!

Note: 2,0      

http://americanmary.com/

 

Spotlight On: NRVS LVRS

PhotoCredit: Peter Prato

„NRVS LVRS aus San Francisco präsentieren eine passend zeitgenössische Interpretation des Indie Pop. Im Kern ist es derselbe Romantic-inspirierte Sound, mit dem [die Band] Stars seit 15 Jahren so erfolgreich ist, aber ergänzt um clevere Elemente des Chillwave, Elektropop und Dream-Pop.“ — PopMatters

Neues Album: Electric Dread (VÖ: 13.10.2017)

Infos zu: NRVS LVRS

Genre: Indie-/Synthie-Pop,  Dark Wave

Wie zu sehen ist, besteht der Name des US-Duos aus einer Aneinanderreihung von Buchstaben,  genauso wie bei SBTRKT oder MSTRKRFT zum Beispiel. Aber ähnlich wie bei  den beiden erwähnten Acts ergibt dies einen Sinn, es handelt es sich natürlich um eine Abkürzung. Die hier vorgestellte Band spricht sich nämlich „Nervous Lovers“. Sie besteht aus Bevin Fernandez und Andrew Gomez, die nicht nur privat verheiratet sind, sondern auch in musikalischer Hinsicht seit 2014 eine kreative Gemeinschaft bilden. Sie stammen aus San Francisco, wo sie in der lokalen Szene schon länger bekannt sind, unter anderem durch ihr ein Jahr nach Gründung veröffentlichtes Debüt The Golden West, welches von den Medien überaus positiv aufgenommen wurde. Die blieb nicht ohne Folgen, denn man ging als Vorband auf Tour mit einigen, auch überregional bekannten Bands (u.a. Jagwar Ma und Telekinesis), engagierte sich zudem selbst in der Szene San Franciscos, knüpfte Kontakte und setzte sich für aufstrebende lokale Talente ein. 2016 begab man sich dann zusammen mit Toningenieur Larry Crane – der bereits mit einigen großen Künstler/innen zusammengearbeitet hat (u.a. Eliott Smith, Death Cab For Cutie) in dessen Jackpot! Studio in Portland, um den Nachfolger zu The Golden West Electric Dread betitelt – zu produzieren. Die Beschreibung, dass man hier mit vielen Electronica-Elementen gespickten Indie-Pop mit Anleihen an Darkwave geboten bekommt, verrät nur ansatzweise, was NRVS LVRS da wirklich für uns zubereitet haben. Wir dürfen jedenfalls sehr gespannt sein, was uns da musikalisch erwartet!

Ich hatte die wunderbare Gelegenheit, Bevin Fernandez und Andrew Gomez zu befragen. So verraten sie unter anderem einige Details über ihre ersten Schritte als Band in San Francisco, ihr neues Album und ihre Kenntnisse über deutsche Musiker/innen. Freut euch auf ein erkenntnisreiches Interview mit den sympathischen US-Amerikanern, viel Spaß!

Interview

  1. Eure Band wurde 2014 in San Francisco, Kalifornien gegründet. Könnt ihr uns etwas über die lokale Musik-Szene dort erzählen? Gibt es irgendwelche Zusammenarbeiten, an denen ihr beteiligt seid?

Die Musik-Szene San Franciscos ist ziemlich seltsam. Die übermäßigen Lebenshaltungskosten in San Francisco erschweren es, Musiker zu sein. Dort sind immer noch einige Bands, welche die Szene am Leben erhalten, San Franciscos Psychedelic- und Garage-Szene ist nach wie vor erfolgreich. BFF.FM ist ein irrer freier Radiosender, bei dem Underground- und aufstrebende lokale Bands in der Bay Area gefördert werden. Dort wird durch die Programmgestaltung des Internet-Radiosenders geholfen, die DIY-Szene aufrechtzuerhalten, durch die Sendungen, die veranstaltet werden. Zudem über den Support, den sie Bands geben, die sich wahrscheinlich keine große PR-Kampagne leisten können, es aber verdient haben, gehört zu werden.

Wir haben versucht, so viel wie möglich zu touren. Wir wissen, wie schwer es ein kann, gute Locations in San Francisco zu buchen. So tun wir unser Bestes, Bands zu helfen, die durch die Bay Area touren möchten, indem wir Shows mit ihnen zusammen veranstalten oder – falls wir diese selbst nicht organisieren können – versuchen, die Betreffenden mit Bands ihres Genres in Kontakt zu bringen und sie zu informieren, welche Locations am Günstigsten für tourende Acts sind.

  1. Euer zweites Album Electric Dread wird am 13. Oktober veröffentlicht. Könnt Ihr in Euren eigenen Worten beschreiben, was musikalisch zu erwarten ist? Gibt es markante Änderungen bezüglich des Sounds im Vergleich zu Eurer vorherigen Veröffentlichung, der Debüt-LP The Golden West?

Electric Dread ist auf jeden Fall in musikalischer Hinsicht düsterer und es lehnt sich mehr an Electronica an als The Golden West. Wir fühlten uns um einiges mehr fokussiert, mit dem Gesamtsound und dem Feeling, das wir auf dieser Platte vermitteln wollten. Wir wurden immer wieder von neuen Synthie-Patches, Drum-Sounds und spezifischen Samples inspiriert, aber jeder Song auf dieser Platte beginnt mit einem dieser Sounds, die im Gegensatz dazu für Gitarre oder Bass geschrieben sind, wie es auf der letzten Platte gehandhabt wurde.

  1. Wer sind Eure Vorbilder? Hat jemand von ihnen einen besonders großen Einfluss auf Eure Sounds, speziell jenem auf Eurer neuen Platte?

Als wir damit begannen, für dieses Projekt Songs zu schreiben, waren wir ursprünglich inspiriert von Künstlerinnen und Künstlern wie Brian Eno, Kate Bush, J Dilla, Daniel Johnston und Dan Deacon. In der Weise, wie diese immer schon Trends ignoriert und die Grenzen der Musik erforscht haben. Wir haben ein großes Verlangen nach neuer Musik und wir suchen ständig nach neuen Sounds. Aber es ist nicht so, dass wir versuchen, Songs wie unsere Lieblingskünstler/innen zu schreiben. Musik zu komponieren mögen wir am liebsten daran, in einer Band zu sein. So würde der Nervenkitzel des Schreibens eines neuen Songs nicht mehr existieren, wenn wir bloß versuchten, unseren Helden nachzueifern. Wir würden eher sagen, wir sind mehr inspiriert von den Herangehensweisen dieser Künstler/innen, was es uns dann erlaubt, unsere eigenen musikalischen Entdeckungen zu machen.

  1. Welche Themen behandelt Ihr in euren Texten? Sind aktuelle gesellschaftspolitische Bezüge zu finden?

Alles in allem, die zwei grundlegenden Themen, die wir auf diesem Album behandeln, sind Trauer und Angst, weil wir beides in beträchtlichem Maße durchgemacht haben, als wir diese Platte geschrieben haben. Einige unserer Familienmitglieder und Freunde sind kürzlich verstorben. Andrew litt in dieser Zeit an Panikattacken, so dass es unmöglich war, dass diese Angelegenheiten nicht unsere Musik durchdringen. Dennoch, wir lieben es aus der Perspektive anderer Charaktere mit unseren eigenen Augen betrachtet zu schreiben. Dies bietet uns mehr kreative Freiheiten, diese Themen tiefer zu ergründen, als wenn unsere Songs nur ausschließlich autobiographisch wären.

Neben dem oben Genannten sind viele der Songs von gesellschaftspolitischen Themen beeinflusst. Der Song Silhouettes zum Beispiel erforscht die Schulzuweisungen, die Frauen in Bezug auf sexuellen Missbrauch in den USA erfahren. Ich dachte über das Thema nach, als der Brock Turner-Vergewaltigungsfall hier in den Vereinigten Staaten Schlagzeilen machte, weil man einen schuldigen Mann wegen einer Vergewaltigung ungeschoren davonkommen ließ. Der Richter sorgte sich mehr um dessen Zukunft, als dass er irgendeinen Vorstoß unternommen hätte, dem Opfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Lost To The Max behandelt die Verletzlichkeit des Wesens einer Frau, sich im öffentlichen Raum nicht sicher zu fühlen. Auf unserer ersten Platte geht es um die offenkundige Gentrifizierung und das wirtschaftliche Ungleichgewicht, das durch den neuen Technologie-Aufschwung  in der Bay Area verursacht wurde. So sind wir definitiv daran interessiert, durch unsere Musik ein Statement zu den aktuellen Ereignissen abzugeben.   

  1. Ab Mitte Oktober werdet Ihr auf Tour nach Europa kommen, unter anderem auch Deutschland. Gibt es hierzulande Bands (egal ob diese noch aktiv sind oder nicht), die Euch ein Begriff sind, deren Musik Ihr besonders schätzt?

Deutsche Bands wie Can, Neu!, Kraftwerk, DAF und Tangerine Dream nehmen eine wichtige Stellung in unserer Plattensammlung ein und wir würden sagen, dass sie unglaublich einflussreich und inspirierend für uns sind. Es ist unmöglich für uns, diese Platten aufzulegen und danach keine Lust zu haben, Musik zu machen.

Beim Stöbern auf Bandcamp & Soundcloud sind wir auf einige großartige deutsche Acts gestoßen, die in den USA nicht so viel Berichterstattung erhalten wie sie sollten. Aus dem Stehgreif, wir mögen Candelilla, Slow Steve, Diät, Roosevelt und Levin Goes Lightly sehr gerne. Es ist jedoch eines dieser Dinge, auf die wir uns auf unserer anstehenden Deutschland-Tour freuen, uns mit den Szenen der jeweiligen Städte vertraut zu machen und deutsche Künstler/innen zu entdecken, die wir zuvor noch nicht gehört haben.

Andrew + Bevin
NRVS LVRS
https://www.nrvslvrs.com/

Vielen Dank für das Interview!

 

Video

Aus dem am 13. Oktober erscheinenden zweiten Album Electric Dread gibt es vorab das Video zu ersten Single I Am Almost Perfectly Awake zu sehen:

 

Dazu noch 2 Videos zu Songs aus dem Debüt The Golden West:

 

Audio

Das neue Album Electric Dread gibt es jetzt schon bei Soundcloud komplett zu hören:

 

Tour

Das Duo wird auf Tour nach Europa kommen, darunter sind einige Termine in Deutschland eingeplant (sind fett markiert). Lasst es euch keinesfalls entgehen!

16.10. Monomontag | Winterthur (CH)

17.10. Plan B | Salzburg (AT)

19.10. NBL | Leipzig (DE)

20.10. Fliese | Halle/ Saale (DE)

21.10. Cord | München (DE)

22.10. Scheune | Dresden (DE)

24.10. Helter Skelter | Hamburg (DE)

25.10. Wildenbruch | Berlin (DE)

28.10. Sparte4 | Saarbrücken (DE)

29.10. Wohnzimmerkonzert | Linz (AT)

30.10. Kabinet MUZ | Brno (CZ)

31.10. Herr Vincent | Villach (AT)

2.11. Lendhafen Cafe | Klagenfurt (AT)

3.11. Tumult | Kremsmünster (AT)

4.11. Zelena Dvorana | Zabok (CRO)

 

Web

https://www.nrvslvrs.com/

https://de-de.facebook.com/nrvslvrs/

Naked Feen – Already Packed

VÖ: 23.10.2016

Label: Eigenvertrieb

Genre: Indie-Pop/-Rock

Auf der Homepage des Quartetts ist folgendes zu lesen: „Wenn die Kinder von Noel Gallagher und Julian Casablancas eine Band gründen, klingt das Ganze wahrscheinlich ein bisschen wie es Naked Feen schon heute tun. Abseits der Übermenge deutscher Synthie-Pop Kapellen zeigen die vier Münchener wie mitreißend gute Gitarrenmusik noch immer sein kann.“ Auch wenn es nicht unbedingt nötig ist, hier den Vorteil der „handgemachten“ Musik zu betonen und sich scheinbar so von den (angeblich) „kühlen“ und „künstlichen“ elektronisch  Klängen positiv abzuheben versucht wird – also auf den angestaubten „Konflikt“ zwischen Rock- und Electro-Lagern angespielt wird, kann man hier grundsätzlich zustimmen. Soundtechnisch sind die Indie-Bands der frühen bis mittleren 2000er Jahre eindeutig Vorbild von Naked Feen, Casablancas‘ Strokes sind wie oben beschrieben auf der Debüt-LP Already Packed herauszuhören, vor allem auf dem Song Havana. Es wäre jedoch sicherlich fatal, würde man sich einzig als eine moderne, deutsche Version der New Yorker und aller ähnlich klingenden Bands verstehen, wenn man deren Sound nur imitieren, eine Kopie  sein würde. Glücklicherweise haben die Münchener es geschafft, ihrer Musik eine individuelle Note zu verleihen, bei aller Begrenztheit, die der Indie-Rock in den letzten Jahren oftmals offenbart hat, ein Klangspektrum aufzutischen, das für den Hörer stets überraschende Momente bereithält. Unterlegt werden die Texte, die sich dem Titel gemäß mit Themen über Aufbruch, Neuorientierung, Fernweh, aber auch Verlust und Trauer auseinandersetzen, mit modern anmutenden Sounds.  Dies liegt bestimmt daran, dass man Tomte-Mitglied Simon Frontzek mit der Produktion beauftragt hat, der schon eine andere Formation betreut hat, die Indie-Rock deutscher Couleur beachtlich zu präsentieren verstand: die (aufgelösten) Kilians. So hat man ein Debüt vorliegen, das in der Gesamtheit vielleicht nicht hochgradig originell ist, aber auf jeden Fall das Hören lohnt. Respektabel!

Note: 2,3

https://www.nakedfeen.com/

 

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