VÖ: 16.09.1996
Label: Mo‘ Wax
Genre: Electronica / Ambient / (Instrumental-/Experimental-)Hip-Hop
Wo ich schon über die Avalanches und deren Bedeutung für das Sampling (“Plunderphonics”) schreibe, die mit Since I Left You zweifellos ein absolutes Meisterwerk geschaffen haben, so kommt man in diesem Zusammenhang zwangsläufig auf ein weiteres Album zu sprechen, das dieser Kunstform – darüber hinaus im Generellen den Genres der Electronica und des Hip-Hop in den auf seinen Release folgenden Jahren und Jahrzehnten – erst recht und noch früher den ultimativen Stempel aufgedrückt, den Weg für neue Ausdrucksformen in den jeweiligen Spielarten geebnet hat. Man kommt einfach nicht darum herum, DJ Shadows Langspieldebüt Endtroducing zu erwähnen! Das ist mir aber auch alles andere als lästig oder unangenehm, im Gegenteil: das Werk gehört zu meinen zehn, wenn nicht sogar fünf All-Time Favorites! Wenn man sich die Tracks anhört, merkt man ihnen nicht einen Moment lang ihr Alter von jetzt schon 21 Jahren (!) an. Es fängt mit dem unvergleichlichen Intro Best Foot Forward an, leitet in das geniale Building Steam With A Grain Of Salt über, nimmt den Hörer mit zu dem Über-Song What Does Your Soul Look Like (Part 4), führt weiter über die genialen Singles Stem (auf dem Album ja erweitert mit Long Stem) und Midnight In A Perfect World. Und das sind ja nur die Eckpunkte, ebenso die anderen Tracks lassen einen als Hörer sprachlos zurück. Es gibt an keiner Stelle dieses Klangwunders einen Durchhänger, stattdessen wird man mit einer Sound-Vielfalt überrascht, die atemberaubend ist. Die Gänsehaut-Momente wollen wirklich nicht enden, man beachte nur diesen sensationellen Spannungsaufbau in Napalm Brain / Scatter Brain! Da mag man einwenden: „Der hat ja nur Samples verwendet, keines der zu hörenden Instrumente selber gespielt“. Das stimmt vielleicht (ein bisschen), Josh Davis aka DJ Shadow hat ein minimales Equipment zur Verfügung gehabt, mit dem er aber seine Klangforschungen wirkungsvoll in Szene setzte – er durchforstete unzählige Plattenläden, sammelte wie ein Besessener. Allerlei, unglaublich viele Ton-Schnipsel – aus den verschiedensten musikalischen Gattungen, Soundtracks, aufgezeichnete Dialoge etc., gerne auch mal selten oder obskur in ihrem Charakter – führte er kunstvoll zusammen. Da lohnt sich übrigens mal wieder (wie bei den Avalanches) ein Blick in die Einträge bei whosampled: man findet als Material unter anderem David Axelrods The Human Abstract, natürlich den Orgelpart aus Giorgio Moroders Tears, weiteres von James Brown, Björk, Metallica, Tangerine Dream, Pekka Pohjola, Beastie Boys, Kraftwerk, und was nicht alles sonst noch! Das müssen sich jene Skeptiker einmal vor Augen führen, dass man diese zahlreichen Einzelteile – die größtenteils im Original schon exquisit klingen – doch erst einmal zusammenbringen muss, die ja durchaus von ihrer Wesensart konträr zueinander stehen. Man muss schon über fundierte Kenntnisse verfügen! Vor allem ist zu bedenken, dass DJ Shadow zu dieser Zeit erst gerade mal 24 Jahre alt war! Ich selbst habe die Platte so Anfang der 2000er Jahre entdeckt, war aber sofort fasziniert. Ich weiß nicht, wie oft ich sie damals hörte! Dann brachte eine damalige Freundin von mir Endtroducing mit, von einem Aufenthalt in England, legte es auf ihrer Geburtstagsparty auf. Ich war für einige Momente in anderen Sphären, beachtete gar nicht, was um mich herum passierte. Auch wenn ich generell ein Träumer bin, ist dieser Schwebezustand, in dem man in andere Welten zu reisen glaubt, nicht untypisch während der Rezeption dieses Meilensteins (und das nicht nur, weil da Auszüge von den Gesprächen während der Mondlandung zu hören sind). Ich finde zwar, dass auch The Private Press (2002) großartig ist, seine weiteren Arbeiten – egal ob als Teil von Unkle (Psyence Fiction) oder in Form seiner LPs, EPs, Mixes und Compilations (Preemptive Strike!) – mit Ausnahme von The Outsider (2006, welches mir überhaupt nicht zusagte) – super oder zumindest okay sind, so groß wie Endtroducing ist das alles allerdings nicht. Absolut fantastisches Sampling-Kunstwerk, das ich immer wieder hören, das mich fortwährend und von Neuem überraschen und erfreuen kann!
P.S.: Wie die Avalanches durfte ich auch DJ Shadow live erleben, letztes Jahr im Kölner Gloria. Er ist immer noch gut drauf, soviel ist sicher!
Note: 1,0