Aphex Twin – Selected Ambient Works 85-92

VÖ: 12.02.1992

Label: R&S

Genre: Ambient(-Techno) / Electronica

Ich weiß noch genau, wie ich ziemlich genau zur Jahrtausendwende in Köln durch die Filiale einer bekannten Elektrohandelskette lief, sicherlich eher etwas aus der Richtung Rock/Pop kaufen wollte, mich aber in der Electro-/Techno-Ecke „verirrte“. Dort blieb ich unmittelbar vor einer Maxi-Single stehen, die ein stranges Cover veranschaulichte. Es gab darauf einen Bikini tragenden Frauen-Oberkörper zu sehen, der Kopf ließ sich aber ganz klar dem eines Mannes zuordnen. Mein Interesse war geweckt, ich hörte in die CD herein, war aber damals noch nicht so angetan, weil die Musik mich eindeutig überforderte. Einige von Euch werden wissen, worauf ich mich beziehe. Genau, es handelt sich um den meisterhaften Track Windowlicker von  Richard D. James* (dessen Kopf übrigens auf besagtem Cover veranschaulicht wird), der sich in der Electro-Szene unter unzähligen Pseudonymen einen Namen gemacht hat, von denen Aphex Twin aber das sicherlich bekannteste ist, weil er unter diesem Alias aus musikhistorischer Sicht die wohl durchschlagskräftigste, künstlerisch wertvollste Arbeit abgeliefert hat. Ich lernte diese im Verlauf der frühen bis mittleren 2000er Jahre zu schätzen, sah bei  VIVA Zwei oder im Nachtprogramm von MTV die auch heute noch absolut unheimlich-verstörenden, gleichfalls faszinierenden (von Chris Cunningham inszenierten) kunstvollen Videos zu besagtem Windowlicker und vor allem Come To Daddy (Vorsicht, Alptraumgefahr!) an. Das oben beschriebene Cover sah ja schon befremdlich aus, aber die Fratzen die hier teilweise, auch auf früher erschienenen Alben (auf dem 1995 veröffentlichten I Care Because You Do und insbesondere dann auf dem ein Jahr später produzierten Richard D. James Album) zu sehen waren, ließen mich ordentlich gruseln. Die Musik war größtenteils aggressiv, bot pumpende, komplexe und ambitionierte, oftmals auch eine unheilvolle Stimmung vermittelnde Drill ‘n‘ Bass- / Acid- / Jungle-, generell „härtere“ Electronica-Sounds, die sich der Bezeichnung „Intelligent Dance Music“ zuordnen lassen. Gleichzeitig lernte ich ebenso in diesen Jahren die „sanfte“ Seite des Aphex Twin kennen, die fast schon harmonisch-hypnotischen, häufig von Tasteninstrumenten getragenen, gleichfalls an Brian Eno und Erik Satie orientierenden Ambient-Sounds kennen, zunächst das ebenso mit einem tollen Video ausgestattete (von Ex-Pulp-Sänger Jarvis Cocker inszenierte) On (lief auch im Nachtprogramm des damaligen Musikfernsehens), später auch Tracks wie Alberto Balsalm oder den auf Drukqs (2001) befindlichen Avril 14th. Später sah ich schließlich ein Video auf Youtube, es lief damals in der legendären MTV-Electro-Sendung Party Zone. Gemeint ist jenes von Ageispolis, das wiederum auf dem atemberaubend guten Debütalbum zu finden ist: Selected Ambient Works 85-92. Natürlich gibt es einige grandiose Werke in Richard D. James‘ Diskographie, dies hier ist aber aus einem bestimmten Grund sicherlich nicht nur für mich das bedeutendste. Der Brite wurde 1971 geboren, wie sich am Titel des Albums bzw. den darin angegebenen Jahreszahlen erkennen lässt, stammen die Tracks aus einer Zeit, als dieser zwischen 14 (!) und 21 alt war. Beachtet man nun, dass damals die produktionstechnischen Mittel noch nicht in vergleichbarem Maße verfügbar waren wie heute, James sich die Sounds durch sein vorhandenes Know-how  in unglaublicher Feinarbeit selbst zusammenbastelte, so kann man doch nicht anders als voller Bewunderung für die Leistungen dieses Mannes zu sein. Hier wurden die Grundlagen für die späteren Klänge auf den weiteren großen Alben gelegt! Ambient dominiert, doch auch die unbequem-„härteren“, gruselig angehauchten  Sounds schimmern hier schon durch, alles garniert mit den feinsten Samples, wie etwa aus Gene Wilders Charlie und die Schokoladenfabrik in We Are The Music Makers. Auch wenn nicht alle Klänge hundertprozentig zeitlos klingen, so stellt Selected Ambient Works 85-92 in meinen Augen einen Geniestreich dar, der unglaublich viele nachfolgende (Electro-)Künstler/innen beeinflusst und mich ebenso unendlich begeistert hat!

* Es gibt zu Windowlicker eine nette Szene in dem fabelhaften Film High Fidelity zu sehen.

Note: 1,0    

http://warp.net/artists/aphex-twin/

 

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