Fernbeziehung #3: Walkman

„FERNBEZIEHUNG“ – WALKMAN

 Hey Niko, schon gehört? 40 Jahre Walkman? Wahnsinn! Ein Alter, mit dem es das technische Gerät locker zu einer gemeinsamen Skatrunde an den Eckkneipentisch schaffen würde. Und ich stelle mir die Frage, was war zuerst da? Der Walkman oder ich? Im Nebel der Erinnerungen war mein erster Walkman aus Kindertagen riesig. Und bunt. Und eckig. Unzählige AA-Batterien waren nötig, um den Antrieb des Kassettenlaufwerks unter Ächzen der (Fein)Mechanik anzukurbeln. Na ja, vier waren es, glaube ich. Was einer benötigten Energiemenge kurz nach einer Kernspaltung gleichkam. Das Ding war schwer, kantig und unkaputtbar. Genau richtig für fettige, ungeschickte Kinderhände. Ein erstes Freiheitsgefühl, ausgelöst dadurch, Töne, Melodien oder erzählte Geschichten mitzunehmen. Überall hin. Ohne, dass es leiser wurde. Das Gefühl von durchgescheuertem Schaumstoff auf den Ohrmuscheln begleitete mich über Jahre.

Vor allem auf der Rückbank des Autos meiner Eltern. Keine Autofahrt mehr ohne meinen Walkman. Um dem gewöhnungsbedürftigem bis unvereinbaren Musikgeschmack meiner Eltern zu entfliehen. Elf Stunden Autofahrt in die Bretagne als Belastungstest für Mensch und Maschine. Aufkommender Sozialneid in den frühen Jugendjahren dank Sony. Erst „Bass Boost“ dann „Auto Reverse“. Der Zorn auf meine Cousine, deren Walkman nur eine (!) AA-Batterie benötigte. Und meine Tränen, als sie ihn mir schenkte. Die blass-rosa Applikationen nahm ich in Kauf. Der Discman kam. Und mit ihm die von mir so gehassten Skips. Ich blieb meinem Walkman treu, so lange der Einzelhandel die kreative Ausdrucksform ermöglichte, Mixtapes zu erstellen. Seitdem fein säuberlich aufgebahrt im Kistenmausoleum des eigenen Kellers. Mit einem Griff wieder zum Einsatz bereit. Irgendwann. Ich wusste nicht, dass wir der gleiche Jahrgang sind. Was denkst du?

 

WALKMAN – Mein Begleiter durch die (Musik-)Welten

 Hey Torsten, ja stimmt, Wahnsinn, dass der Walkman jetzt schon 4 Dekaden auf dem Buckel hat! Bei mir verschwimmen da irgendwie auch die Erinnerungen. Ich habe noch ein Gerät in meinem Besitz, ein in verschiedenen Blautönen gehaltenes, das mich aber eine lange Zeit begleitet hat. Für mich sind Kassetten sowieso wie sicherlich vielen Menschen mit Nostalgie verbunden, mit Hörspielen, mit vielen spannenden Geschichten, Liedern und…ja sogar Kabarett. Aber wie toll war es erst selbst welche zu bespielen, mit eigenen Aufnahmen aus dem Radio…oder wenn es ganz luxuriös werden sollte: Alben darauf aufzuzeichnen. So habe ich auch heute noch Kassetten, auf denen ich Californication von den Red Hot Chili Peppers oder Nirvanas Nevermind (ich beömmele mich immer, da ich letztere mit Neverminds betitelte) hören könnte. Interessant finde ich allerdings, dass ich auch gar keine Erinnerungen mehr an die Aufnahmeverfahren und entsprechenden Gerätschaften habe. War da eventuell ein Kassetten-Doppeldeck im Spiel? Naja egal, ich weiß auf jeden Fall, dass ich stundenlang vor dem Radio gebannt saß und entsprechende Lieder oder tolle Sendungen unbedingt haben wollte. Egal ob der Partyservice oder die Charts auf EinsLive. Ich habe auch Radio auf dem Gerät empfangen, wenn auch in oftmals miserabler Qualität, aber egal. Ach schöne alte Zeit!

Wie bei dir auch hatte der Walkman oft die Aufgabe, mich zu unterhalten, auf eben diesen langen Autofahrten mit der Familie. Ich brauchte ebenso manchmal eine Alternative, eine Art „Oldschool-Podcast“! Irgendwann kam dann die Mini-Disc. Ich war mal Fan, aber es war doch letztlich ein kurzes Vergnügen. Der Walkman bleibt eher in Erinnerung, zurecht natürlich!     

 

„Warum führen Sie eine Fernbeziehung?“

Niko und Torsten, brothers in crime, führen eine Fernbeziehung. „Old school“ meets „new shit“. Der eine malt auf seinem Blog sahneplatten.de musikalische Erinnerungen an die Wand, während der andere auf seinem Blog hicemusic unsere Gehörgänge stets mit neuem musikalischen Gebäck füttert. Getrennt in Zeit und Geografie, vereint in der unendlichen Liebe zur Musik. In Fernbeziehung schreiben sie sich zu Themen der Musik und Popkultur ihr „Bromance“ von der Seele.

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Fernbeziehung #2: VIVA ZWEI

„FERNBEZIEHUNG“ – VIVA ZWEI

Lieber Torsten, wo wir uns über VIVA ausgetauscht haben und du den anderen Sender auch schon erwähnst hast, müssen wir unbedingt über das „kleine Geschwisterkind“ sprechen. Dessen Verschwinden war für mich um einiges entsetzlicher, muss ich zugeben. Man kann es ja auch überall nachlesen (Foren etc.) und es gibt Seiten, auf denen einige Eifrige versuchen, die großen Schätze aus dieser Zeit zu sammeln. Was gab es da nicht alles Schönes? Vor kurzem haben Simon Gosejohann und sein Bruder Thilo als Gäste der Rocket Beans-Sendung „Kino+“ sie noch einmal ins Gedächtnis gerufen, ihre aufregende Zeit bei VIVA ZWEI.

Am 07.01.2002 war es soweit. Nicht nur „Zwobot“ war tot, der wunderbar zynische lebende Mikrofonschoner aus der sagenhaften namensgebenden, gesellschaftskritischen Puppensendung, sondern ein ganzer Sender musste einem damals schon fragwürdigen Kommerzprodukt namens VIVA Plus Platz machen. VIVA ZWEI war auf so vielen Ebenen interessanter! Großartige Genre-Sendungen, die auch den kleinsten Musikstilen und anderen Popkultur-Phänomenen ihre Aufmerksamkeit schenkten (z.B. das tolle „WahWah“), in denen seltene Videoclips (ich habe da beispielsweise die Avalanches mit Songs ihres großartigen Debüts gesehen, z.B. „Since I Left You“) oder kultige Filmausschnitte gezeigt wurden, „Zelluloid u.a., mit dem oben erwähnten Simon Gosejohann. Wo wir schon bei den Moderatoren und VJs sind, geniale Auswahl: Charlotte Roche, Niels Ruf, Il Young-Kim, Markus Meske, Markus Kavka, die bezaubernde Tanja Mairhofer und und und. Aus dem 1995 gestarteten okayen Eighties Pop-Sender war gerade ein innovativer, anarchischer Alternative-Sender mit coolen Videos geworden, als alles schon wieder vorbei war. Schade! Aber erzähl du bitte mal, wie hast Du diese Zeit erlebt?

VIVA ZWEI – „Verloren gegen ein 10erPack CD-Rohlinge“  

Lieber Niko, 2002? Gefühlt ist das irgendwie viel länger her. Aber diese Liebe zu den (etwas schrulligen) Genres der kleinen Schwester fühle ich umgehend wieder im Herzen. Simon Gosejohann war auch mal da? Ehrlich? Vor meinem geistigen Auge stehen Charlotte Roche, Mirjam Weichselbraun oder Sarah Kuttner jung und erfrischend in tristen Bühnenbildern oder schlechtwettrigen Außenszenen und moderieren mit „angestrengter Akademikerlyrik“ (die „stumpfe Gymnasiastenlyrik“ war ja dem Haussender vorbehalten). Der Post-Punk der frühen 00er-Jahre optisch und auditiv vereinnahmend. Irgendwie war es besonders. Es war so ein wenig das „Charakterbecken“ eines Aquariums, aus dem die gleichförmig schwimmenden Fische entfernt wurden. Das Schrille aber zugleich Nachdenkliche der Moderatoren sprach mich zu Beginn meiner Zwanziger durchaus an. Die Musik sowieso. Als hätte VIVA seiner Schwester die Sonne entzogen und durch Wind und Nieselregen ersetzt.

Das Musikfernsehen, mit Betonung auf „Musik“, lag zu jener Zeit im Fahrstuhl zur Intensivstation. Reality-Formate beschallten uns durch den Nachmittag, wir wussten mehr über die Anatomie und das Balzverhalten amerikanischer Jugendlicher, als über das neue Album der Queens of the Stone Age. Wir „flüchteten“ ins Internet. In 56k-Geschwindigkeit durch Napster oder Kazaa. Den Song digital mitnehmen statt analog darauf warten. Ein 10er-Pack CD-Rohlinge als sinnvolles Geburtstagsgeschenk. Musik wurde anders, VIVA ZWEI war irgendwie zu spät. Leider. Das Konzept fand ich klasse. Die Gesichter auch. In den frühen 90ern, zu Zeiten von MTV-Genreformaten, wie „Headbangers Ball“ oder „Alternative Nation“, hätte sich VIVA ZWEI bestimmt prima auf dem Pferd gehalten. 2002, als der Sender aufs Karussell stieg, drehte es sich bereits nicht mehr. Dennoch, trotz seiner gefühlten Eintagsfliegenpräsenz, ist es mir stark im Gedächtnis geblieben. Ich denke, so hätte ich Musikfernsehen gemacht.

 

 

„Warum führen Sie eine Fernbeziehung?“

Niko und Torsten, brothers in crime, führen eine Fernbeziehung. „Old school“ meets „new shit“. Der eine malt auf seinem Blog sahneplatten.de musikalische Erinnerungen an die Wand, während der andere auf seinem Blog hicemusic unsere Gehörgänge stets mit neuem musikalischen Gebäck füttert. Getrennt in Zeit und Geografie, vereint in der unendlichen Liebe zur Musik. In Fernbeziehung schreiben sie sich zu Themen der Musik und Popkultur ihr „Bromance“ von der Seele.

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Fernbeziehung #1: VIVA

„FERNBEZIEHUNG“ – VIVA

Lieber Niko, beim sinnlosen herumzappen in die hinteren Ecken meiner TV-Senderliste ist mir aufgefallen, dass VIVA gänzlich einen schwarzen Bildschirm sendet. Eine leicht hochgezogene Augenbraue und eine kleine Recherche später ergibt: VIVA ist tot. Weg. Ausgeflimmert. Um nicht nur im Wortspiel zu bleiben stelle ich mir gedankenschnell die Fragen, „Erschreckt mich das?“ und „Wie war das eigentlich?“. Im Laufe meiner Jahre (zwischen 14 und nun fast 40) hat das Musikfernsehen deutlich an Relevanz eingebüßt. Zurecht. Erinnerst du dich noch, als MTV und VIVA die einzige Möglichkeit war, einen Musiktrend zu „fühlen“? Ja, zu „leben“? Große Aufregung, als 1993 die Satellitenschüssel Einzug in den eigenen Haushalt hielt und die ALLERERSTE Sendersuche MTV war? Angekommen in den Neunzigern. Das bohèmische Gefühl eines Teenagers. Verknüpft mit den wirklichen Hot Spots: London, New York, Los Angeles. Hach.

Und dann, kurze Zeit später, das deutsche Pendant. So authentisch provinziell, schnoddrig, unperfekt. Ein hyperaktiver Hip-Hop-Tänzer (Mola Adebisi), ein mützentragender Langhaariger (Nils Bokelberg) und ein süßes „Girl“ zum Verlieben (Heike Makatsch). So ging das los. Die guten Freunde vom Dachboden. „Die für uns“. Der Gegenentwurf zum polyglotten MTV. In Gummistiefeln. Das VIVA über die Jahre als „A-Jugendschmiede“ für deutsche Moderatoren fungierte, war nicht abzusehen. Stefan Raab, Matthias Opdenhövel, Collien Fernandes. Nun ja, VIVA blieb VIVA, ich nicht. Der Anspruch wuchs. VIVA ZWEI war super und genau mein Ding. Charlotte Roach, Sarah Kuttner, Mirjam Weichselbraun. Reality-Formate fraßen die Musik. Das Internet das klassische Fernsehformat. Und heute? Nicht mehr als ein Zucken der Augenbraue für den letzten Zug am Ende des Siechtums. Auf einem klapprigen Holzkarren aufgebahrt. Das deutsche Musikfernsehen. Vom Dachboden zum Schließen des Deckels. Und du so?

VIVA … „Erschreckt mich das?“

Lieber Torsten, mir geht es da wohl wie dir, ich habe mich auch gefragt: „Erschreckt mich das?“ „Irgendwie nicht mehr“. Denn was kam da zuletzt auf VIVA noch? Doch eigentlich nur noch irgendwelche Charts-Clips, präsentiert von mir unbekannten VJs. Ansonsten Comedy Central. Mag sein, dass mir da als Mittdreißiger einfach der Anschluss fehlt und ich irgendwelchen vergangenen Tagen hinterher trauere. Der heutigen Jugend ist ja auf keinen Fall ein Vorwurf zu machen, denn wenn sie ein tolles Musikvideo sehen möchte, kann sie ja einfach YouTube oder dergleichen aufrufen. Früher war das einfach anders. Wie Du richtig meintest, das war die einzige Möglichkeit, einen Trend zu „fühlen“. Trotz des Bezuges zum Mainstream, den es immer schon gab, war das alles dennoch irgendwie spannend, als Gegenentwurf zu MTV mit Ray Cokes und so. Finde auch heute noch die Worte von Heike Makatsch anlässlich des Sendebeginns von VIVA so süß!

Schon super, wer da alles war und welche Sendungen geboten wurden: Berlin House (vorher: Housefrau) habe ich immer nachts angeschaut, mit diesen sauspannenden, oft selten zu sehenden Electro-Videos. Natürlich auch Raabs Show! Später auch noch die von dem von mir wie von dir so verehrten, „erwachsenen“ Ableger VIVA ZWEI übernommenen Sendungen wie Electronic Beats oder Fast Forward! Der Abstieg begann ja dann tatsächlich mit den Reality-Formaten ab Mitte der 2000er. Da sprach Matthias Opdenhövel im Radio anlässlich eines runden Sender-Geburtstages  (vermutlich der 15.) davon, dass es nicht mehr das VIVA sei, das er kenne. Das Ende wundert mich nun nicht mehr. Traurig ist es doch! Weißt du, welches Video ich erstmals darauf sehen konnte, nachdem der Sender endlich auch bei uns Zuhause damals geschaut werden konnte? Los Del Rios – Macarena.

 

 

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