Juni 2017

Bonaparte – The Return Of Stravinsky Wellington

VÖ: 02.06.2017

Label: Believe

Genre: Indie-Pop/-Rock, Dance-Punk

Die Musik des aus Berlin stammenden und von dem Schweizer Tobias Jundt angeführten internationalen Kollektivs Bonaparte wurde unter anderem in Filmen (z.B. 13 Semester) verwendet, ist aber ja in vorderster Linie durch die unzähligen Live-Shows bekannt geworden. Man würde stark untertreiben, bezeichne man sie als „ausgefallen“, da wird so einiges aufgeboten, von allerlei Kostümen bis zu einer ziemlich originellen Einbeziehung des Publikums in die Bühnenperformances. Das Debütalbum Too Much (2008) war wirklich beeindruckend (u.a. mit Anti, Anti und dem Titelsong) sowie auch der Nachfolger My Horse Likes You (2010) Spaß bereitete. Auf den beiden folgenden LPs verlor man ein wenig den Faden, manches klang letztendlich zu überdreht und bemüht. Jetzt hat man auf Tonträger Nr. 5 hörbar – zumindest zu großen Teilen – zu alter Stärke zurückgefunden. Komik und Irrsinn sind natürlich noch zentraler Bestandteil der Musik, aber man gibt sich insgesamt etwas „seriöser“. Macht insgesamt Laune (u.a. mit einem Gesangspart der Tochter Jundts)!

Note: 2,3

https://bonaparte.cc/

 

 

All We Are – Sunny Hills

VÖ: 09.06.2017

Label: Domino

Genre: Indie-/Electro-Pop

Apropos Laune bereitendes Album einer internationalen Band, da ist man bei All We Are – ebenso wie bei Bonaparte – an der richtigen Adresse. Die Mitglieder kommen aus Brasilien, Irland und Norwegen, sind in Liverpool ansässig und bieten Sounds auf, die eine breite Palette an Stilrichtungen unterschiedlichster Couleur und Herkunft abdecken. Da gibt es Indie- und Dream-Pop ebenso zu hören, wie auch alternativen Rock, Electro, Soul, Funk und Hip-Hop. Diese Zutaten werden nicht nur stilvoll zusammengeführt und einige verschiedene Stimmungen erzeugt, es wird auch in gesanglicher Hinsicht viel experimentiert. Nach dem faszinierenden selbstbetitelten Debüt, das ziemlich lässigen, gleichzeitig abwechslungsreichen Pop bot, folgt nun das Zweitalbum des Trios, welches sich unter anderem Post-Punk und Krautrock widmet. Dies funktioniert hauptsächlich richtig gut, was sich nicht nur anhand der Single Human belegen lässt. Zudem gibt man sich recht gesellschaftskritisch!

Note: 2,3

http://www.thisisallweare.co.uk/

 

 

Phoenix – Ti Amo

VÖ: 09.06.2017

Label: Warner

Genre: Synthie-Pop / Italo-Disco

Phoenix aus Versailles gehörten zur Jahrtausendwende zu den spannendsten französischen Pop-/Electro-Bands neben Daft Punk, Air und Cassius. Ihr Debüt United (2000) begeisterte mit lässigem, gleichzeitig ambitioniertem, elektronisch wirkungsvoll unterstütztem Indie-Pop und genialen Songs wie Too Young oder If I Feel Better. Die Nachfolger Alphabetical (2004), It’s Never Been Like That (2006) und vor allem das einem größerem Publikum bekannt gewordene Wolfgang Amadeus Phoenix (2009, mit den Hits 1901 und Lisztomania) waren letztlich gut, ohne aber die hochwertige Qualität des besagten Debüts zu erreichen. Nach dem mäßig interessanten fünften Werk Bankrupt!, das vor vier Jahren erschienen ist, kann auch das dem italienischen Pop frönende neue Album insgesamt nicht wirklich überzeugen. Es hat schon etwas Lobenswertes, wenn angesichts der aktuellen soziopolitischen Ereignisse auf der Welt dem Hörer eine Gelegenheit geboten wird, Zuflucht in romantischen Fantasien und Erinnerungen zu finden, aber die Songs sind im Gesamten nicht wirklich wirkungsvoll, bleiben kaum in Erinnerung. Schade!

Note: 3,0

http://wearephoenix.com/

 

 

Sufjan Stevens, Bryce Dessner, Nico Muhly & James McAlister – Planetarium

VÖ: 09.06.2017

Label: 4AD

Genre: Indie-Folk/-Rock, Avantgarde, Chamber-Pop

Sufjan Stevens soll vor über 10 Jahren die Idee gehabt haben, allen US-Bundesstaaten jeweils ein Album zu widmen. Zumindest hat er ja Michigan und Illinois Anfang bzw. Mitte des letzten Jahrzehnts zwei meisterhafte Werke geschenkt. Wenn es wirklich so gewesen sein soll, dass der 42-Jährige (er hat genau heute übrigens Geburtstag) dieses gigantische Projekt habe realisieren wollen (was seinerseits nie wirklich bestätigt wurde), dann hätte er vielleicht lieber auf nur einem Album jedem der Staaten jeweils einen Song widmen können, so wie jetzt den Planeten und anderen astronomischen Objekten unseres Sonnensystems. Als Gemeinschaftsprojekt mit Bryce Dessner (vielfach engagierter Komponist und u.a. Mitglied von The National), Nico Muhly (ebenso geachteter Komponist spannender kontemporärer Klassischer Musik) sowie James McAlister (Stevens‘ Drummer). Das Ergebnis ist leider nicht so spannend wie es bei dieser Besetzung hätte sein können und sollen. Es schwankt zwischen großen, mitreißenden und etwas zu artifiziellen, überambitionierten Momenten. Vielleicht erfordert das Album aber auch die Geduld des Rezensenten, die er (eventuell noch) nicht aufbringen konnte!

Note: 3,0 (vorerst)

http://music.sufjan.com/

http://brycedessner.com/

http://nicomuhly.com/

 

 

Lorde – Melodrama

VÖ: 16.06.2017

Label: Universal

Genre: Pop / Elektropop

Bei hicemusic hat man nicht erst seit gestern den Eindruck, dass so manche Lobeshymnen, die in der Musikpresse auf neue Veröffentlichungen angestimmt werden, nicht selten etwas voreilig erscheinen, sie zu sehr gehypted sind, so dass auch die betreffenden Künstler/innen den hohen Erwartungen nicht standhalten können. Natürlich muss man sich hier manchmal zurückhalten, kann ja auch sein, dass man das Potential nicht auf Anhieb erkennt, die Musiker/innen wirklich so gut sind wie von Kritikern beschrieben. Bei allen ausgesprochen hohen Wertungen, die nun das zweite Werk der Neuseeländerin Ella Marija Lani Yelich-O’Connor alias Lorde erhält, könnte man meinen, es würde sich um einen Fall letztgenannter Kategorie handeln. So ist es aber nicht, hicemusic kann diesen positiven Einschätzungen sofort zustimmen, es handelt sich um ein großes Werk. Die 20-Jährige schafft es stets, kommerziellen Erfolg mit hochqualitativen Sounds (mit Hilfe von Jack Antonoff alias Bleachers bzw. ehemals fun.) zu verbinden und zu manifestieren. Nach dem grandiosen Debüt folgt ein wunderbares klanglich-mannigfaltiges Album, auf dem bewährt höchst ehrliche, persönliche und vielschichtige Texte (über die eigene Identität z.B.) präsentiert werden, Lorde sich als Stimme ihrer Generation empfiehlt. Da kann man Randy nur gratulieren*!

*Es gibt eine klasse Folge bei South Park, in der Stan’s Vater sich als Lorde zu erkennen gibt.

Note: 2,0 (mit Potential nach oben)

https://lorde.co.nz/

 

 

Ride – Weather Diaries

VÖ: 16.06.2017

Label: Wichita

Genre: Dream Pop / Shoegazing

Vor kurzem gab es ja das bemerkenswerte, auch hier bei hicemusic von den Lesern in Form der Wahl zum Album des Monats Mai zu Recht gefeierte Slowdive-Comeback nach sage und schreibe 22 Jahren. Die in den späten 1980er bis in die frühen, einige auch noch in die mittleren -90er Jahre aktiven Bands kommen ja zurück, zumindest die „großen“ Vertreter: neben oben genannten ja auch im weitesten Sinne The Jesus And Mary Chain – obgleich diese ja eher als Vorläufer, Initiatoren und Innovatoren des Genres anzusehen sind -, My Bloody Valentine (vor vier Jahren mit dem klasse MBV) und eben Ride. Diese haben genau wie erwähnte Formationen bis zu 20 Jahre nichts mehr von sich hören lassen, ihr letztes Lebenszeichen haben Andy Bell (war ja auch bei Oasis und Beady Eye aktiv), Mark Gardener, Laurence Colbert und Steve Queralt mit dem leider nicht mehr interessanten, schon eher bewährten Alternative Rock bietenden Tarantula im März 1996 gegeben. Weather Diaries, auf dem sich die Band aus Oxford sogar ein wenig politisch gibt, wenn sie sich gegen Theresa May positionieren, bietet Sounds, die dank Produzent und Electro- und Remix-Papst Erol Alkan richtig frisch daherkommen. Allerdings ist das lang nicht so spannend wie auf der neuen Slowdive-Platte, mehr als „nett“ leider nicht!

Note: 3,0       

https://www.thebandride.com/

 

 

Zoot Woman – Absence

VÖ: 16.06.2017

Label: Snowhite

Genre: Synthie-Pop / Electronica

Stuart Price ist im Popgeschäft schon längst eine große Nummer, er hat mit den unterschiedlichsten Künstlerinnen/Künstlern zusammengearbeitet – von Madonna, New Order, den Pet Shop Boys bis Kylie Minogue sowie den Killers – und unter verschiedenen Pseudonymen (u.a. Les Rythmes Digitales, JacquesLu Cont, Thin White Duke) tolle Musik produziert. Zusammen mit den Brüdern Adam und Johnny Blake hat er vor allem als Zoot Woman  Anfang der 2000er Jahre zwei fantastische LPs erschaffen, Living In A Magazine (2001) und den selbstbetitelten Nachfolger (2003). Es handelt sich um heute noch modern klingenden Synthiepop/Electroclash vom Feinsten. Seit 2009 sind einschließlich des neuen Tonträgers Absence drei weitere Veröffentlichungen erfolgt, auf denen sich – bei aller Klasse einzelner Songs –  an das Altbewährte gehalten wurde, spärlich ergänzt durch manche neue elektronische Spielereien. So hat Veröffentlichung Nr. 5 leider nicht viele frische Ideen zu bieten (auch wenn es natürlich mal wieder ausgezeichnet produziert ist).  Da kann auch Kylie Minogue nicht viel helfen. Lieber noch mal die ersten beiden Alben hören!

Note: 3,0

http://www.zootwoman.com/

 

 

Algiers – The Underside Of Power

VÖ: 23.06.2017

Label: Matador

Genre: Post-Punk / Gospel

Der Vierer aus Atlanta (seit 2015 gehört Ex-Bloc Party-Drummer Matt Tong zum Line-Up der Band) kann in dieser Zeit eine wichtige Funktion einnehmen, soviel wie in soziopolitischer Hinsicht auf der Welt passiert. Vom Sound her erinnert das Gebotene stark an TV On The Radio, sie speist sich aus Post-Punk und Gospel-Anleihen, Afrobeat und atonalen Klängen, konzeptionell unterfüttert von Southern Gothic-Schauerliteratur und dem sozialpsychologischen Mechanismus des Othering. Manche Kritiker beschreiben die Musik auch als dystopischen, wahlweise auch psychedelischen Soul. Das kommt schon hin, es kann nämlich sehr düster werden. Die Kritiker waren schon anlässlich des Erscheinens des selbstbetitelten Debüts (2015) begeistert, die Sounds wurden unter anderem mit Public Image Ltd, The Birtday Party, The Gun Club und Suicide verglichen. Vor allem das Politische war stark in den Texten betont, was auf The Underside Of Power (Adrian Utley von Portishead ist u.a. Produzent) weitergeführt wird, man ereifert sich z.B. über gierige Politiker und fanatische Religionsvertreter. Ziemlich gut!

Note: 2,3

http://algierstheband.com/

 

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