Massive Attack – Mezzanine

VÖ: 20.04.1998

Label: Virgin

Genre: Electronica / Ambient / Trip-Hop

Ich kann mich noch genau erinnern, mein Vater kam aus der Stadt – ich nehme an, es war Köln – zurück und brachte eine brandneue CD mit, die er gekauft hatte und mir stolz präsentierte. Er zeigte sich eigentlich generell offen für moderne Sounds, hörte beispielsweise zur „Freude“ unserer Nachbarn laut Rammstein oder erfreute sich an den Klängen von Björk, Moby, Public Enemy, Sigur Rós, Sonic Youth, Nirvana, Pearl Jam oder was eben jeweils angesagt war. Ich hingegen, was ich ja bereits im Zusammenhang mit der Besprechung von Airs Moon Safari erwähnt habe, verfügte zu dieser Zeit – also Ende der 1990er Jahre – noch über keinen wirklich breit gefächerten Musikgeschmack. Ich hörte eigentlich hauptsächlich das, was bei 1Live in den Charts-orientierten Sendungen lief oder zu großen Teilen auf den Bravo-Hits-Compilations versammelt wurde. Dennoch, das muss ich mir an dieser Stelle auch mal zugutehalten, ich wusste relativ schnell oder konnte zumindest erahnen, ob eine Platte für mich einen dauerhaften Wert haben würde. Denn das meiste der damaligen „Hits“ blieb irgendwie nicht im Ohr, im Gegensatz dazu tat es die Musik, die mein Vater hörte, schon (auf jeden Fall oft). Ich kann mich beispielsweise erinnern, dass er von einer USA-Reise zwei CDs mitbrachte – eine war Limp Bizkits Significant Other und die andere war The Battle Of Los Angeles von Rage Against The Machine. Ein Exemplar durfte ich behalten, ich entschied mich für letzteres, das ich auch heute noch lieber höre. Jenes zu Beginn erwähnte Album war Mezzanine von dem heute längst legendären britischen Duo aus Bristol – Massive Attack. Es gehört zu meinen absoluten All-Time Lieblingsplatten. Ich bin mir bewusst, dass ihr Debüt Blue Lines (1991) wohl das wichtigere Werk ist, es wird neben Portisheads Dummy und Trickys Maxinquaye zu Recht zu den essentiellen Vertretern des Trip-Hop gezählt. Ebenso der direkte Nachfolger Protection – man denke vor allem an den Titelsong mit der unfassbar guten Tracey Thorn (Ex-Everything But The Girl) und das noch mit Tricky eingesungene Karmacoma – hatte einige geniale Momente zu bieten. Die entsprechende Dub-Remix-Platte No Protection von Mad Professor fand ich auch klasse. Nur verbinde ich mit diesen Werken weniger Erinnerungen als mit Mezzanine. Außerdem ist es doch einfach majestätisch, mit diesem einprägsamen Hirschkäfer-Cover und den unglaublich modernen Sounds. Ich zumindest kann kaum fassen, dass die Platte bald 20 Jahre alt wird! Man sagt, dass der Pop in Bristol sich der Langsamkeit verschrieben habe, insbesondere zu Zeiten von Blue Lines. Hier auf Mezzanine ist hörbar, dass Spuren des Trip-Hop im Klangkosmos von Robert Del Naja („3D“) und Grantley Marshall („Daddy G“) übriggeblieben sind und weiterhin eine Rolle spielen, alles sich allmählich entwickelt. Doch der Fokus liegt jetzt noch klarer auf der Erforschung aller Möglichkeiten im weiten Feld der Electronica. Wie das mit Grundzutaten des Trip-Hop als auch weiteren Elementen – von Pop, Reggae, Soul über Hip-Hop, Ambient bis Rock und  Punk ist hier alles vertreten – vereinigt wird, ist absolut atemberaubend. Natürlich sind da auch die Gäste zu erwähnen, die einen großen Anteil an der Klasse des Werkes haben. Diese veredelten die heute immer noch absolut memorablen Songs wie das von dem legendären Roots-Reggae-Künstler Horace Andy gefeaturte Angel oder vor allem Teardrop, das ebenso aufgrund der engelsgleichen, unverwechselbaren Stimme der Cocteau Twins-Sängerin Elizabeth Fraser im Gedächtnis geblieben ist. Wobei bei letzterem Song natürlich auch das exzellente Video und die durch den Einsatz in Serien und Filmen (z.B. Dr. House, The Simpsons, Prison Break) erlangte Bekanntheit zu erwähnen ist. Insgesamt ein überaus genialer Streich, der nicht umsonst von den Kritikern neben seinem berühmten Vorgänger Blue Lines zu den wichtigsten Alben der 1990er Jahre (bzw. der letzten Jahrzehnte, z.B. ist Mezzanine unter den Top500-Alben des Rolling Stone gelistet) gezählt wird. Zweifellos einflussreich für viele gegenwärtige Künstler!

Note:  1,0                  

http://www.massiveattack.co.uk/

 

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.

Nach oben ↑