Elbow – Flying Dream 1

VÖ: 19.11.2021

Label: Polydor

Genre: Indie-/-Art-Pop/-Rock

Ist es übertrieben von mir, wenn ich sage, dass die britische Band Elbow zu den bewundernswertesten Bands unserer Zeit zählt? Denn das Quartett um Guy Garvey ist in den 24-Jährigen ihres Bestehens in den weiten Klangfeldern des Pop-Rock unterwegs und hat es auf neun Studioalben irgendwie doch immer wieder geschafft, ein qualitativ hohes Niveau zu halten. Zwischen „Post-Brit“-/Indie-Pop und Indie-/Alternative/Art-Rock pendelnd wurden immer wieder wundervolle, wahnsinnig mitreißende, sanft-verträumte Melodien erschaffen, die gleichzeitig eingängig sind als auch experimentellen Charakter aufweisen können. Man nehme nur das fantastische Frühwerk von Elbow, das meiner Meinung nach auf Leaders Of The Free World (2005) einen kreativen Höchststand erreichte und mit The Seldom Seen Kid (2008) fulminant bestätigt werden konnte. Doch auch seitdem sind die Alben wie bereits erwähnt von hoher Qualität. Was ist da das Geheimnis? Wohl der straighte Weg zwischen Vertrautheit und Experimentierwille sowie Bombast und Sanftheit, aber natürlich ebenfalls die hintergründigen und reflektierten Texte, mit denen Guy Garvey und Co. immer wieder punkten. Auf Flying Dream 1 schlägt sich dies in grandios-instrumentierten Songs mit erneut wundervollen Melodien und Lyrics (z.B. über Liebe und Glück) nieder. Die ruhigeren Parts dominieren, doch es wird nie kitschig oder verkrampft. Eine Qualität, die Elbow eben auszeichnet. Ganz in der Tradition von den Großen des Pop wie Peter Gabriel. Fesselndes Album mit ausgesprochen hohem Wachstumspotential!  

Note: 2,0 (mit Potential nach oben)

https://elbow.co.uk/

        

Einstürzende Neubauten – Alles in allem

VÖ: 15.05.2020

Label: Potomak

Genre: Avant-/Alternative-Rock/-Pop / Industrial

Mit der Musik der Einstürzenden Neubauten kam ich damals – wie sollte es anders sein – erstmals durch meinen Vater in Kontakt. Er war stets an Sounds interessiert, die sich auf experimentelle Umwege begeben, die den konventionellen Strukturen entsagen. Klar, da waren eben so Sachen dabei wie The Residents, einige Kraut- und Progressive-Rock-Bands im Stile von Popol Vuh oder Van der Graaf Generator sowie auch frühe experimentelle Elektronik von Formationen wie White Noise. Die Avantgarde-/Industrial-Klänge der Einstürzenden Neubauten um den einzigartigen Blixa Bargeld – der ja auch, und das wird man sicherlich nicht vergessen haben, ein Gründungsmitglied von Nick Caves Bad Seeds ist – übten ebenfalls von vornherein eine Sogwirkung auf mich aus. Ist ja auch ganz individuell. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir fallen nicht so schnell Bands ein, die wirklich gleich gelagerte Musik produzieren. Seit 1980 sind die Einstürzenden Neubauten aktiv und haben fantastische Alben wie Kollaps (1981), Halber Mensch (1985) oder Haus der Lüge (1989) produziert. Ich mag auch die 2000er-Werke wie Silence Is Sexy (2000) oder Perpetuum Mobile (2004). Im letzten Jahrzehnt gab es ja noch Lament (2014), auf dem man sich ziemlich ausdrucksstark mit dem Thema Erster Weltkrieg auseinandersetzte. Auf dem neuen Werk Alles In Allem spielt die Bundeshauptstadt eine wesentliche Rolle, denn Bargeld stellt vor allem seine Erinnerungen an seine Zeit dort aber auch generell die Geschichte Berlins in den Vordergrund, was er in wirklich beeindruckenden Texten festhält. Die Songs sind zudem einzigartig instrumentiert und weisen erneut diesen individuellen Stil des Quintetts auf. Die Einstürzenden Neubauten sind auch im 40. Jahr ihres Bestehens relevant und haben den Sprung ins neue Jahrzehnt eindrucksvoll geschafft, das steht fest!

Note: 2,0

https://neubauten.org/

 

Noga Erez – Off The Radar

VÖ: 02.06.2017

Label: City Slang

Genre: Elektropop/-clash, Worldbeat

Im Jahr 2005, so ziemlich zu der Zeit, als die zweite 2000er-Indie-Rock-Welle vornehmlich britischer Bands auch hier in Deutschland ankam, sorgte ein Debüt für Aufregung, das – abgesehen von der Zugehörigkeit zu einem anderen Genre – so gar nicht zu diesen Sounds passte und in diesem Sinne wie ein Fremdkörper wirkte. Klar, es gab unter anderem so einige Electroclash-Acts wie die Scissor Sisters, Goldfrapp oder Peaches, die ebenso gehört wurden, aber dies war so viel politischer und von ausgesprochen kraftvoller und kompromissloser Energie. Die unheimlich vielfältigen Sounds zielten in so ziemlich jede musikalische Richtung, vereinten sozusagen Nord- mit Südhalbkugel. Es handelt sich bei dem beschriebenen Album um Arular von der damals 29-jährigen Künstlerin Mathangi “Maya“  Arulpragasam alias M.I.A.. Auf den folgenden Tonträgern verlor sie nichts von dieser Schärfe und der unkonventionellen Art. Kala (2007), Stichwort: Paper Planes, und vor allem Maya (2010), auf dem zum Beispiel Born Free mit diesem Brutalo-Video enthalten war, legen Zeugnis davon ab. Interessant ist, dass  seit besagtem Debüt kaum Musiker/innen folgen sollten, die Sounds ähnlicher Art produzierten, abgesehen vielleicht von Santigold oder vielleicht Amanda Blank, die ja aber nicht so viele (gesellschafts)politische Bezüge in ihren Texten aufwiesen. Nun präsentiert allerdings Noga Erez mit ihrer Debüt-LP ein Werk, das sich zumindest zum Großteil mit den Sounds und dem Habitus von M.I.A. vergleichen lässt. Die 1989 in Tel Aviv geborene Künstlerin beschäftigt sich mit den Problemen in ihrem Heimatland, thematisiert ebenso soziale Mitbestimmung sowie Vereinsamung, ist im Gesamten ein ausgesprochen kritischer Geist, konfrontiert den Hörer mit der harten Realität. Das imponiert wirklich sehr, wie auch die Kreativität in Sachen Sound. Da kommt von tollen Electro-Elementen über  kontemporärem R&B und Hip-Hop bis Pop und etwas Psychedelia so ziemlich alles vor, was natürlich gekonnt zusammengeführt wird. Nicht ganz so aggressiv wie die Musik von M.I.A., vielleicht auch nicht ganz so gut, trotzdem beeindruckend! Übrigens, Noga Erez wird dieses Jahr auf einigen Festivals zu sehen sein, unter anderem dem Melt.

Note: 2,3

http://nogaerez.com/

 

Everything Everything – Get To Heaven

VÖ: 19.06.2015

Label: RCA

Genre: Indie Pop / Art Rock

Die Briten Everything Everything haben mit den beiden Vorgängern Man Alive (2010) und Arc (2013) bestechende Argumente vorgebracht, weshalb sie in einem Atemzug mit Bands wie Alt-J oder Django Django genannt werden sollten. Denn sie begegneten den verschiedensten Stilen ebenso aufgeschlossen und unerschrocken wie es die erwähnten Formationen stets getan haben und machten auch deutlich, dass sie dabei gleichfalls den Blick über die Bereiche außerhalb der Populärmusik wagen. Die Redakteure des New Musical Express haben vielleicht ein wenig übertrieben, sie gleich als die „Picassos des Pop“ zu bezeichnen. Auch einige Vergleiche sind amüsant – wie z.B. jener von Paul Lester, der die Musik als eine Mischung von R&B und Progressive Rock ansah:„(…) think Timbaland if he cocked an oblique ear to Yes“. Aber wirklich falsch liegen sie nicht, vor allem weil sie mit diesen Ausführen nur ausdrücken wollen, wie vielseitig Everything Everything sind. Dies ist angesichts der musikalischen Vorbilder der Mitglieder wiederum kein Wunder: Michael Jackson, Radiohead, Nirvana, The Beatles, Destiny’s Child, R.Kelly und wahrscheinlich noch einige mehr. Unkonventionelle Melodie- und Rhythmusstrukturen, markanter Falsett-Gesang des Vokalisten Jonathan Higgs und ausgefallenere Formen des Songwritings sind nur ein paar Ausdrucksmittel, die aus dieser Experimentierfreude resultieren. Das Quartett präsentiert auch auf Get To Heaven einen vielseitigen Klangkosmos, der komplexe musikalische Formen bereithält, dabei aber niemals in Verkrampfung oder Überheblichkeit ausartet. „Eingängige“ Hits im Stile von Kemosabe gibt es nämlich auch auf diesem Album zu hören, die vereinzelt Bands wie die Foals oder Alt-J anklingen lassen, jedoch stets einen individuellen Touch beibehalten. Die klasse Singles Distant Past und Regret, aber auch der Opener To The Blade oder The Wheel (Is Turning Now) können als Aushängeschilder einer wunderbaren, künstlerisch wertvollen Platte angesehen werden. Produzent ist Stuart Price!

Note: 2,0

www.everything-everything.co.uk/

 

Everything Everything – Regret – Director Of Photography from David Tree on Vimeo.

Everything Everything – Distant Past – Director of Photography from David Tree on Vimeo.

Electric Würms – Musik, Die Schwer Zu Twerk

VÖ: 15.08.2014

Label: Bella Union

Obskur, zumindest amüsant mutet nicht nur der Bandname an, sondern ebenso der Albumtitel, insbesondere für Deutschsprachige: Musik, Die Schwer Zu Twerk. Hört man erst die Musik, so ist nicht nur nachzuvollziehen, weshalb es sich (der Bedeutung zufolge) dazu so schlecht bewegen lässt („Twerking“ laut Wikipedia =„(…) ein Tanzstil, bei dem die Tanzenden hauptsächlich kreiselnde, ruckartige Hüftbewegungen ausführen.“), sondern auch, worum es hauptsächlich geht. Man soll sich gemäß des (unterhaltsam geschriebenen) Pressetextes auf der Label-Homepage in die Zeit der Rockmusik (späte 1960er und frühe -70er Jahre) zurück versetzen, in der mit Hilfe von LSD (und anderen halluzinogenen Drogen) – unter dem Eindruck der erlebten Trips – neue Klangwelten erschlossen wurden und das Experimentelle keine Grenzen zu kennen schien. Folglich werden so ziemlich alle Genres rezitiert, auf die die Psychedelik ihren Einfluss hatte, u.a. Kraut-, Progressive- und Acid- bzw. Space-Rock. Sobald dann bekannt ist, um wen es sich bei den Mitgliedern dieser Band handelt, wird die Motivation noch begreiflicher: Wayne Coyne und Steven Drozd von den Flaming Lips, die ja in den letzten Jahren eben diesen Weg schon eingeschlagen und den experimentellen Charakter stetig und höchst effektiv ausgeweitet haben, sowie die Mitwirkenden der gleichfalls durch außergewöhnliche Sounds aufgefallenen Gruppe Linear Downfall. Das Ergebnis ist ein Album, das sich durch vielfältige und kurzweilige Klänge auszeichnet. Noch wagemutiger als andere gegenwärtige Formationen, die sich der Neuinterpretation der Musikformen des psychedelischen Rock verschrieben haben. Macht auf jeden Fall neugierig, wie zum Beispiel das interessante Cover des Yes-Songs Heart Of The Sunrise!

Note: 2,3

http://bellaunion.com/artists/electric-wurms/

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