VÖ: 26.10.2018
Label: Domino
Genre: Art-/Kammer-Pop
Da sind ja mal zwei durchaus gegensätzliche Einschätzungen des neuen Albums Aviary von der 33-jährigen US-Amerikanerin Julia Holter. Im Musikexpress wurde die Höchstwertung von sechs Sternen vergeben: „Avantgarde-Pop zwischen barocker Opulenz und Kakophonie, schwer zu dechiffrieren, doch in seiner Schönheit universell verständlich.“ Auf Laut wurde es mit 2 Punkten abgewatscht, als quasi unhörbar deklassiert. Das wäre normalerweise für mich hier bei hicemusic ein Grund, das Werk im Rahmen der „Kontrovers“-Sparte zu beurteilen. Allerdings: Ich möchte zwar dem Laut-Rezensenten keine Vorwürfe machen – es ist völlig legitim, wenn man mit diesem Album nicht viel anfangen kann, dies auch klar kundzutun -, ich sehe mich da aber eher auf der Seite der ME-Kritikerin. Dies beziehe ich auf eine grundlegend positive Sichtweise – die auch in vielen anderen Musikmagazinen zum Ausdruck gebracht wird –, auch wenn ich Julia Holters neues Werk (noch) nicht so genial finde, dass ich eine Höchstwertung vergeben würde. Loud City Song (2013) und Have You In My Wilderness (2015), die beiden brillanten Vorgänger, schätze ich momentan als stärker ein. Es ist allerdings bestimmt so, dass man Aviary erst einmal auf sich wirken lassen muss, ist ja bei weitem keine einfach zu hörende Musik. Holter hat sich seit jeher dem Thema Pop mit einer überaus anspruchsvollen Herangehensweise genähert: die aufwendigen und vielseitigen Instrumentierungen zum Beispiel, um Ambient-artige, generell stimmungsvolle, manchmal kinematographisch anmutende Klänge zu produzieren, die sich Stilrichtungen aus der Klassischen Musik und der Avantgarde zuordnen lassen, aber auch hintergründige Texte, in denen die Sängerin sich ausführlich mit literarischen Themen auseinandersetze, sie dann als grundlegendes Konzept für ihre Alben auserkor. In dieser Hinsicht hat sie es sich eben nie leicht gemacht, wie nun auf Aviary ein weiteres Mal deutlich wird. Jetzt widmet sie sich unter anderem der libanesischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan. Wie Holter das alles in einem wahren Klangerlebnis inszeniert, sich erwartbaren Strukturen stets verweigert und das Spiel mit Stimmungen beherrscht, ist schon jetzt höchst beeindruckend. Es lässt vermuten, dass Aviary eine weitere Großtat in der Diskographie der US-Amerikanerin darstellt, ich möchte mich jedoch bewusst zurückhalten und dem Album noch mehr Hördurchläufe zugestehen, – ja genau – Zeit geben.
Note: 2,0 (mit Tendenz nach oben)